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Das Wochenende vom 30. bis 31. August bot in diesem Jahr mehrere Optionen für eine kleine Spottertour. Gleich auf drei Flugplätzen in der Region luden die Vereine zu ihren Flugtagen ein: in Bad Gandersheim, am Salzgittersee und in Gardelegen. Da an diesem Wochenende nur der Sonntag eine Option für mich war, galt es, sich für eine Veranstaltung zu entscheiden. "Gewonnen" hat letztendlich Gardelegen.
Der Besuch im letzten Jahr hatte mir gut gefallen und es stand immer noch ein Flugzeug auf meiner "Wunschliste": die rote Chipmunk, die in Gardelegen beheimatet ist. Außerdem sagte der Wetterbericht auch die meisten Sonnenstunden für die Altmark voraus. Also (mindestens) drei gute Gründe, um einen Trip in Richtung Osten zu unternehmen.
Über den Reiz dieses kleinen Flugplatzfestes, das der Fliegerklub Gardelegen e. V ausrichtet, hatte ich mich ja schon im letzten Jahr ausgelassen und es sollte auch diesmal wieder ein interessanter Tag werden.
Bei schönstem Sonnenschein wurden die Besucher gleich von einem bemerkenswerten Segelflugzeug empfangen:
eine SB 5. Dieses Segelflugzeug hat seine Wurzeln in Braunschweig, dort wurde es von der akademischen Fliegergruppe (Akaflieg) entwickelt. Es war das erste Projekt der Gruppe nach Ende des Zweiten Weltkriegs, das 1959 erfolgreich in die Luft gebracht wurde. Charakteristisch ist das ungewöhnliche V-Leitwerk dieses Entwurfs. Ursprünglich betrug die Spannweite 16 Meter, aber aufgrund der Einführung einer internationalen Segelflug-Standardklasse mit einer Spannweitenbegrenzung auf 15 Meter im Jahr 1957 wurde die Spannweite auf dieses Maß verkürzt. Von dieser B-Version wurden schätzungsweise 40 – 50 Exemplare gebaut. Nach dem Wegfall der Spannweitenbeschränkung wurde wieder eine 16-Meter-Version gebaut, die nun die Bezeichnung SB 5e erhielt. Die vereinseigene D-7124 ist Baujahr 1966 und wurde 1981 auf den 16-Meter-Flügel umgerüstet.

Schon am frühen Vormittag brummte es ordentlich am Platz: Die Rundflüge waren begehrt und die Besucher hatten eine große Auswahl:
Unermüdlich im Einsatz, der Viersitzer des Vereins, die Robin DR400 Remorquer, D-EGHQ.

Ebenfalls zum Verein gehört diese Grob G 115A, D-EPMW.

Wer es luftig, mit bester Aussicht genießen wollte, buchte den AutoGyro MT-03 (D-MHWN).

Wer es etwas nostalgischer mochte, war mit dem Platzer Kiebitz (D-MYVG) gut bedient.

Wer es etwas futuristischer angehen wollte, drehte mit dem AutoGyro Cavalon (D-MGHO) eine Runde.

Wer es klassisch liebt, der kam an der Antonov An-2 aus Ballenstedt (D-FWJE) nicht vorbei.

Und wer seine Grenzen austesten wollte, musste sich hinten in der Yakovlev Yak-52 (LY-APW) gut anschnallen.

Ach ja, fast vergessen: wer mal im Tiefflug über Bahn jagen wollte, setzte sich am besten in die in Gardelegen beheimatete Let Z-37-2 Čmelák (Hummel).

Aber bevor es losgehen konnte, wurde die D-EOYZ noch gecheckt und gab dabei einen Blick auf ihr Triebwerk vom Typ Avia/Walter M-462RF frei. Der Neunzylinder-Sternmotor erbringt eine Startleistung von rund 300 PS aus 10,16 Litern Hubraum.

Bei der hier D-EOYZ handelt es sich um eine seltene Let Z-37-2, die zweisitzige, für Ausbildungszwecke gebaute Version. Nach Vereinsangaben fliegen in Deutschland nur noch drei von ursprünglich 15 in der DDR eingesetzten Maschinen dieser Zweisitzer-Version (Z-37-2 und Z-37A-2).
Die Let Z-37 wurde in der Tschechoslowakei entwickelt und produziert. Sie war das erste, speziell für die Agrarwirtschaft konzipierte Flugzeug im damaligen Ostblock. Ihren Erstflug hatte sie 1963 und ab1965 begann die Auslieferung der ersten Serienmaschinen. Mehr zu ihrer Geschichte und den technischen Daten siehe: Wikipedia - Let Z-37
In der DDR kamen von 1967 bis 1990 insgesamt 243 Maschinen verschiedener Versionen zum Einsatz. Die D-EOYZ wurde 1969 von der Interflug, die auch für die Agrarfliegerei zuständig war, mit der Registrierung DM-SNZ übernommen (später DDR-SNZ). Dort war sie bis 1990 im Einsatz. Sie dürfte damit zu den ersten Schulflugzeugen gehört haben, die von der Interflug eingesetzt wurden. Danach ging sie in private Hände. Ihre Lackierung zeigt sie heute in den Farben der Interflug, die zum Ende der Dienstzeit aktuell war.
Der Flugplatz in Gardelegen kann sich glücklich schätzen, gleich zwei der seltenen "Hummeln" am Platz zu beherbergen. Bei der zweiten Maschine, der D-ESVL, handelt es sich um eine einsitzige Arbeitsmaschine der späteren Version Let Z-37A. Sie wurde im Juni 1975 als DM-SVL registriert und erhielt später das Kennzeichen DDR-SVL. Man erkennt unter dem Rumpf noch eine Streueinrichtung für den Agrareinsatz. Sie war einige Zeit gegroundet, soll aber demnächst wieder fliegen.

Am Boden bewegte sie sich schon aus eigener Kraft.



Um den Reigen der ortsansässigen Flugzeuge abzuschließen, hier ein Blick auf zwei weitere Segelflugzeuge des Vereins:
Die zweisitzige, in Polen produzierte PZL Bielsko SZD-50 Puchacz (Uhu) mit der Kennung D-3651 wird vom Verein zur Schulung und für Mitflüge eingesetzt, so wie an diesem Tag. Sie ist sogar eingeschränkt kunstflugtauglich.

Die D-5755 stammt vom gleichen Hersteller. Es handelt sich um eine PZL Bielsko SZD-30 Pirat. Dieser Typ flog 1966 das erste Mal.

Nachdem jetzt viele ortsansässige Maschinen zu sehen waren, fehlt zumindest noch eine: die rote De Havelland Chipmunk, die für mich mit ein Grund für die Fahrt nach Gardelegen war. Sie stand zwar vor ihrem Hangar, aber dort für die Öffentlichkeit weit entfernt und unzugänglich. Es war wirklich schade, dass dieses schöne, historische Flugzeug den Besuchern am Sonntag nicht gezeigt wurde.
Allerdings sollte sich der Besuch allein schon wegen eines anderen Highlights gelohnt haben: Diese schöne Bücker Bü 181 B-1 Bestmann, D-EKYF, fand den Weg nach Gardelegen.

Unabhängig von der Tatsache, dass ich diese Maschine bisher noch nicht vor der Linse hatte, weist sie noch eine Besonderheit auf.
Bei ihr handelt es sich um einen schwedischen Lizenzbau aus dem Jahr 1944. Unter der Leitung von Anders J. Anderson, dem Chefkonstrukteur von Bücker, der schon die Bücker Bü 131 Jungmann und Bücker Bü133 Jungmeister entworfen hatte, wurden im damals neutralen Schweden von 1943 bis 1946 insgesamt 120 Bücker Bü 181 von der Firma Hägglund & Söner unter der Bezeichnung Sk25 für die schwedische Luftwaffe gebaut. 1954 wurde die heutige D-EKYF (Werknummer 25016) ausgemustert und zusammen mit rund 70 schwedischen "Bestmännern" von einer deutschen Firma importiert. 1956 wurde sie in die deutsche Luftfahrzeugtrolle eingetragen, dann aber 1965 bei einem Unfall beschädigt.
Im Jahr 2003 wurde sie als Restaurierungsobjekt erworben. Neben dem Neuaufbau von Rumpf und Tragflächen, wurde auch der originale Motor vom Typ Hirth HM500A grundüberholt. Dieser treibt die Bestmann mit einer Leistung von 105 PS Starleistung an. Sechs Jahre und 3.000 Arbeitsstunden später erlebte die D-EKYF ihren Rollout am 15. August 2009 an historischer Stätte: auf dem ehemaligen Gelände des Aeroklubs auf dem damaligen Rangsdorfer Flugplatz, dem früheren Firmensitz der Firma Bücker. Hier wurde sie auch auf den Namen "Rangsdorf" getauft, dem "Geburtsort" vieler Bücker-Flugzeuge (siehe auch: Bücker Bestmann D-EKYF).
Nach dem Wiederaufbau präsentiert sie sich bis heute in den gleichen Farben wie die D-EKYF in den 50er Jahren und trägt das Wappen der Gemeinde Rangsdorf auf dem Rumpf. Ein wirklich schönes Stück Luftfahrtgeschichte ...



Nach so viel Luftfahrtgeschichte mal eine kleine Pause. Denn nicht nur historische Flugzeuge fanden den Weg zum Flugplatz, sondern auch historische Fahrzeuge. Stellvertretend dazu hier mal der Fahrzeugpark einer Gruppe von Bikern ...

... sowie ein Klassiker der ehemaligen DDR.

Neben den Rundflugmaschinen waren auch die Segelflieger unterwegs, u. a. auch mit "Schnupperflügen" im Doppelsitzer. Spektakulär war aber der Doppel-F-Schlepp von der Let 37 und den beiden PZL-Segelflugzeugen. Bisher hatte ich so etwas noch nicht live gesehen.

Hier klingt sich Nummer 1 aus.

Neben der Bücker Bestmann gab es noch weitere interessante Tagesgäste:
Diese unscheinbar graue Gippsland GA-8-TC320 Airvan kann man in unseren Breiten sicherlich schon als Exoten bezeichnen. Dieses robuste, in Australien gebaute Flugzeug, wurde für den Einsatz in unwegsamen Gebieten als Buschflieger entwickelt und nur gut 200-mal gebaut. Die D-EPDZ kam aus Magdeburg und wird dort zum Absetzen der Fallschirmspringer des örtlichen Vereins eingesetzt.


Dieses Ultraleichtflugzeug fällt eher durch seine Lackierung als durch sein Design auf. Die Älteren unter uns erinnert es sicherlich an einen anderen Hochdecker mit "Zebrastreifen": an die Dornier Do 27 (D-ENTE), mit der der bekannte Zoologe und Verhaltensforscher Bernhard Grzimek und sein Sohn Michael die Tiere in der Serengeti für ihre Forschungsarbeiten beobachteten.
Nun, bei der D-MKNL handelt es sich vermutlich nicht um ein Forschungsflugzeug, aber bei der Bezeichnung "Skyranger" des von der Firma Volksflugzeug entwickelten Flugzeugtyps schwingt schon etwas Naturverbundenes mit.

Aus der gleichen Kategorie stammt dieser farbenfrohe UL-Flieger: Die Aeroprakt A-22 wurde in der Ukraine entwickelt und hatte dort 1996 ihren Erstflug. Bei der D-MIGB handelt es sich um die Version A-22L2, die von einem Rotax 912 UL mit einer Leistung von 80 PS angetrieben wird. Was hier so friedlich aussieht, hat aber auch eine andere Seite: Im Ukraine-Krieg werden Flugzeuge dieses Typs zu Drohnen umgebaut und von der Ukraine zur Bekämpfung entfernter Ziele eingesetzt.

Etwas leichtere Kost: Bei dieser Aerostyle Breezer (D-MPRS) erregten vor allem der Pilot, bzw. sein "Avatar" Snoopy und sein "Mitflieger" Woodstock, die Aufmerksamkeit des Fotografen, ...

... der den feinen Humor sehr zu schätzen weiß.

Eine tolle Überraschung an diesem Tag waren auch diese drei alten Motorsegler aus dem Hause Schleicher:
Von der einsitzigen Schleicher ASK 14 wurden seit 1967 nur rund 70 Maschinen gebaut. Die D-KLAR müsste 1970 gebaut worden sein.

Von der zweisitzigen Schleicher ASK 16 wurden zwischen 1970 und 1977 sogar nur 44 Exemplare gebaut. Zwei davon waren am Sonntag zu sehen:
Die D-KMET wurde 1974 zugelassen ...

... und die D-KISO 1975.

So, nach der Pflicht - die Vorstellung der interessantesten Flugzeuge des Tages - nun die Kür, die zeigen soll, warum es so viel Spaß macht, in Gardelegen zu fotografieren. Sonne im Rücken, dicht am Geschehen und "Action" ...
Antonov An-2 (D-FWJE).




Die Yakovlev Yak-52 (LY-APW) war mit den Mutigen unterwegs, die Kunstflug hautnah erleben wollten.
Hier herrschte viel Zuversicht.




Back on Earth ... einem hat es mit Sicherheit gefallen.

Die "Hummel" brummt ...
Von der Let Z-37-2 Čmelák (D-EOYZ) gab es an diesem Tag dutzende von Bildern.





Und mit diesen beiden schönen Fliegern verabschiede auch ich mich vom Flugplatzfest in Gardelegen:
Schleicher ASK 14 (D-KLAR)

Platzer Kiebitz (D-MYVG)

Wie im letzten Jahr, hat es sich wieder gelohnt, das Flugplatzfest zu besuchen - auch wenn ich noch etwas mit der "versteckten" Chipmunk am Sonntag hadere. Dafür gab es ein paar sehr interessante fliegende Besucher, auf die man immer hofft, aber von denen man nie weiß, ob tatsächlich etwas kommt und wenn ja, wer einen überrascht.
Die Atmosphäre auf dieser Veranstaltung war wieder sehr entspannt, viele Leute schauten vorbei und die Rundflugmaschinen waren im Dauereinsatz. Für das leibliche Wohl war bestens gesorgt - besonders das umfangreiche Kuchen-Buffet möchte ich an dieser Stelle hervorheben - und wer etwas mehr über die Fliegerei, die Flugzeuge, den Verein und vieles mehr erfahren wollte, brauchte nur gut zuhören. Die Besucher wurden über den Platzsprecher den ganzen Tag wieder mit vielen interessanten Informationen zu diesen Themen versorgt.
An dieser Stelle vielen Dank und Anerkennung an den Fliegerklub Gardelegen e. V., der mit seinen Mitgliedern und viel Engagement wieder schöne Flugtage ausgerichtet hat.
Der Blick zurück:
LCBS-Magazin: Flugplatzfest Gardelegen (EDOC) 2024
LCBS-Globetrotter: Flugplatzfest Gardelegen 2023
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