[Bericht] On yellow wings - Mit der Stearman über Usedom
Verfasst: So 12. Okt 2014, 14:28

08.10.2014, 10:15 Uhr, Flughafen Heringsdorf bei Zirchow auf der Insel Usedom. Das Thermometer zeigt 13° Lufttemperatur und die Sonne schickt sich an, den Morgendunst und die Schleierwolken zu vertreiben. Das Wetter des Vortages verhieß nichts Gutes und auch der Wetterbericht hielt sich vornehm zurück, zumindest sollte es trocken bleiben und ab und zu mal auflockern. Aber wie das mit Wetterberichten so ist, man kann sich nicht immer darauf verlassen und der Himmel klart immer weiter auf. Es herrscht schönstes Flugwetter.
Heute soll es mit der Boeing Stearman über Usedom gehen. Fliegen im offenen Cockpit, den Wind um die Nase wehen lassen, das ursprüngliche Fliegen genießen. Dem Traum vom Fliegen etwas näher kommen.
Ankunft am Hangar 10, über den die Rundflüge in historischen Flugzeugen vermittelt werden. Von der sehr freundlichen und kompetenten Mitarbeiterin des Hangar-10-Teams erhalte ich meinen Flugschein. Noch ein paar nette Worte gewechselt, dann geht es zum Vorfeld, wo die Stearman schon für den Flug vorbereitet wird. Zum Abschluss werden für die optimale Sicht nach vorn noch schnell die Scheiben geputzt.
Flugvorbereitung

Dicke Jacke und Schal sind empfehlenswert, wenn man offen fliegt. Leider erhöhen sie nicht unbedingt die Beweglichkeit. Nach der Einweisung, wie man am besten ins vordere Cockpit der Stearman einsteigt ohne sich oder die Maschine zu beschädigen, geht es über zu den persönlichen Vorbereitungen. Mit freundlicher Unterstützung eines Mitarbeiters werden die Gurte angelegt und festgezurrt. Wichtige Prüfung bei Männern, die ihre Muskeln oder Anderes überwiegend im Hüftbereich tragen: hat der Steuerknüppel noch genügend Spielraum? – Hatta! Dann noch Kopfhörer und Mikro anschließen und die obligatorischen Sicherheitshinweise im Falle einer Notlandung entgegennehmen. Fliegerhaube auf -Fertig!
Mein "Arbeitsplatz", das vordere Cockpit.

Fertig? Nicht ganz: letzter Check der Kamera: Bildstabilisator an, ISO-Voreinstellung, Belichtungsparameter geprüft. Hier gibt es noch ein paar separate Hinweise zum Fotografieren während des Fluges: der Trageriemen der Kamera gehört um den Hals. Unabhängig von der einfachen Tatsache , dass man nicht mehr fotografieren kann, wenn die Kamera runterfällt, besteht die Gefahr, dass Steuerelemente blockiert werden können, wenn sie auf den Flugzeugboden fällt. Zweiter Hinweis: Die Kamera möglichst hinter dem Windshield halten, sonst rüttelt plötzlich und unverhofft der Fahrtwind mit satten 140 Km/h am Gehäuse.
Dann erwacht der 220 PS starke Continental W670 7-Zylinder-Sternmotor zum Leben. Erst hustet er ein wenig, dann läuft er richtig an und das unverkennbare sanfte Blubbern eines hubraumstarken Sternmotors erfüllt die Szenerie. Die Vibrationen des Motors übertragen sich auf die Zelle - und den Körper. Oder ist es die Vorfreude auf den bevorstehenden Flug? Noch einmal tief Luft geholt und dann setzt sich die Stearman in Bewegung.
Good bye!

Zwei Männer und eine Maschine

Wir rollen zur Startbahn 28. Nach der Startfreigabe gibt der Pilot Vollgas, die 220 PS entfalten ihre ganze Kraft. Nach kurzer Zeit hebt sich das Spornrad, die Stearman will sich nach links in den Wind drehen, der Pilot steuert etwas mit dem rechten Seitenruder gegen, denn noch sind wir nicht in der Luft. Unmerklich löst sich das Hauptfahrwerk vom Boden und dann erhebt sich die Maschine ihr Element.
Rollen zum Taxiway

Auf der Startbahn

And here we go!

Das Terminal des Flughafens Heringsdorf

Es geht in Richtung Nord-West an der Mellenthiner Heide vorbei. Links sieht man das Stettiner Haff und den Peenestrom, der bei Peenemünde in die Ostsee fließt. Rechts sieht man den Gothensee. Über dem Golfclub am Balmer See drehen wir nach Nord-Ost, über das Achterwasser der Ostsee entgegen. Westlich von Bansin der nächste Kurswechsel. Nun geht es den Ostseestrand entlang in Richtung polnischer Grenze. Die Seebäder Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck ziehen an unserer rechten Seite vorüber, links nur Himmel und Meer über und unter unseren Tragflächen. Vor dem polnischen Swinemünde geht es wieder auf Heimatkurs.
Stettiner Haff

Gothensee, Blickrichtung Ostsee

Golfplatz am Balmer See

Das Achterwasser, im Hintergund die Ostsee. Eine "steife Brise" setzt den Wellen Schaumkrönchen auf.

Die Ostseeküste in Blickrichtung Süd-Ost. Die Seebrücken von Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck. Im Hintergrund Swinemünde

Zwischen Himmel und Meer: Endlose Weite über der Ostsee

Die imposante Seebrücke von Heringsdorf

Die Seebrücke von Ahlbeck. Ganz in der Nähe hatten wir unser Hotel

Strandpromenande bei Ahlbeck

Die Ostseeküste in Richtung Nord-West, über 12 Km Sandstrand laden zum Badeurlaub ein

Fliegen und fotografieren

Blick auf Swinemünde, in der Mitte der Fährhafen

Unter uns grüne Landschaften, vor uns das blaue Wasser des Stettiner Haffs und über uns der weite Himmel. Begleitet wird der Blick vom Flattern des Windes und vom sonoren Brummen des Sternmotors. Kurz innehalten und Natur und Elemente mit allen Sinnen genießen. Der Faszination des Fliegens kann man sich spätestens jetzt nicht mehr entziehen.
Blick nach Polen und auf das Stettiner Haff

Leider viel zu früh kommt der Flugplatz Heringsdorf wieder in Sicht und die Stearman schwebt zur Landung auf die Graspiste ein. Kamera einziehen, denn der Pilot braucht nun jeden Zentimeter Sicht nach vorn. Nach einer sanften Landung rollen wir zurück zum Hangar 10. An der Parkposition wird der Motor abgestellt. Schlagartig setzt ein Gefühl der absoluten Stille ein. Kein sonores Brummen des Motors mehr und kein Rauschen des Fahrtwindes , das uns die letzten 25 Minuten begleitet hat. Gurte lösen, Haube ablegen und aus der Maschine klettern.
Anflug auf den Flugplatz Heringsdorf

Einschweben auf die 28

Ankunft am Hangar 10

Blick ins hintere Cockpit

Das Erlebnis, in einem offenen Doppeldecker im warmen Herbstlicht über eine wunderschöne Küstenlandschaft zu fliegen, ist zu Ende.
Das obligatorische Fotoshooting auf dem Vorfeld, der Besuch der Ausstellung im Hangar 10, sowie ein schönes Essen im angeschlossenen Restaurant als Dank für Mariannes unendliche Geduld und ihre tollen Fotos von mir in der Stearman runden diesen besonderen Tag ab.
Boeing Stearman A 75 N1, Kennung D-ERAX

Die Stearman vor dem Hangar 10

Boeing Stearman in der LCBS-Datenbank.