Erste Flugkapitänin Deutschlands - aus Braunschweig
Verfasst: Mi 29. Jul 2009, 17:05
1971 Zeitzeugen: Der Kampf für ihren Lebenstraum endete in einer Tragödie
Pilotin Elisabeth Friske überlebte 1971 eine Flugzeugkatastrophe – 16 Jahre später stürzte sie in den Tod
Von David Mache
Gerd und Elisabeth Friske in ihrer Braunschweiger Wohnung, kurz nach der Notlandung von Hasloh im Dezember 1971. Der linke Unterschenkel der Co-Pilotin war zertrümmert, deshalb der dicke Gips. Sie strickt – ein Motiv, das damals besser ins Weltbild vieler Fotografen passte als die Fliegerkombi.
Archivfoto: dpa
1971 Zeitzeugen: Gerd Friske war mit der ersten Flugkapitänin Deutschlands verheiratet. 1971 wurde seine Ehefrau Elisabeth durch eine Notlandung auf der Autobahn berühmt, 1987 stürzte sie tödlich ab.
David Mache erzählt die tragische Geschichte einer Braunschweigerin, die sich ihren Traum vom Fliegen erfüllte. Trotz Gleichberechtigung war eine Frau im Cockpit die absolute Ausnahme.
Gerd Friske (90) kramt eine dicke rote Mappe voller alter, vergilbter Zeitungsausrisse hervor. "Ich weiß nicht genau, warum ich den alten Krempel aufbewahrt habe. Offenbar liegt mir das alles doch noch sehr am Herzen", sagt er und runzelt die Stirn.
Das alles – damit meint der hagere alte Herr die Geschichte seiner verstorbenen Ehefrau. Die Geschichte einer starken Frau, der ersten Passagierflugzeug-Pilotin Deutschlands. Die Tragödie der Elisabeth Friske.
Die meisten Schlagzeilen in der abgegriffenen roten Mappe kreisen um ein Ereignis: Die "Paninter-Katastrophe", das Flugzeug-Unglück von Hasloh.
Montag, 6. September 1971, kurz nach 18 Uhr. Elisabeth Friske ist Kopilotin einer BAC One-Eleven der Charter-Fluggesellschaft "Paninternational". Die Passagiere freuen sich auf ihren Spanien-Urlaub, Ziel: Malaga. Doch keine Minute nach dem Start in Hamburg-Fuhlsbüttel brennt ein Triebwerk. Wie sich später herausstellt, haben Mechaniker schlampig gearbeitet und in die Kühltanks anstatt Wasser Kerosin gefüllt.
Pilot Reinhold Hüls und Kopilotin Elisabeth Friske setzen zur Notlandung an – mitten auf der Autobahn 7 bei Hasloh. Autofahrer starren entsetzt nach oben, ein Fiat 500 kommt gerade noch unter der schlingernden Maschine durch. Die Pfeiler einer Autobahnbrücke trennen die Tragflächen vom Rumpf des Flugzeugs. Das brennende Wrack zerschellt im Straßengraben. Überall Flammen und Rauch, Verletzte bahnen sich ihren Weg aus den Trümmern, Tote liegen auf einem Acker.
Aber von den 121 Menschen an Bord überleben 99 die Katastrophe. Das waghalsige Landemanöver findet unter Experten größte Anerkennung. "Eine fliegerische Glanzleistung. Ich war damals sehr stolz auf meine Frau und bin es heute noch", sagt Gerd Friske.
Er zieht einen Artikel aus der Illustrierten "Quick" hervor. "Als ich wieder klar denken konnte, tastete ich mich ab und stellte zu meiner Überraschung fest, dass außer dem Bein alles in Ordnung war", erzählt Elisabeth Friske darin. Sie kommt mit einem zertrümmerten Unterschenkel in eine Hamburger Klinik. Gerd Friske eilt mit Sohn Eberhard ins Krankenhaus. "Wir sind ja nicht im Leichenschauhaus', sagte sie, als wir ins Zimmer kamen. So war sie, meine Elisabeth", erzählt Gerd Friske. Er legt den Artikel beiseite und seufzt.
Der gebürtige Schlesier und die 20 Jahre jüngere Elisabeth Schadock lernten sich 1957 auf dem Flugplatz Waggum kennen. Friske war im Krieg Fallschirmjäger, sprang auch später weiter. Zu sehr faszinierte ihn der Adrenalin-Kick. Bei einer Siegerehrung verliebte er sich in dieses blonde Mädchen, das in der Querumer Metzgerei ihres Vaters mitarbeitete. Romantische Rendezvous folgten – und ein ungewöhnlicher Antrag. "Mädchen, wir heiraten! Aber du musst Fallschirm springen", sagte er. "Das mache ich mit Links", antwortete sie.
Beim gemeinsamen Sprung aus luftiger Höhe sollte es nicht bleiben. Elisabeth Friske wollte selbst Flugzeuge steuern, machte 1964 ihren ersten Pilotenschein. Doch niemand wollte damals eine Pilotin einstellen, obwohl die Gleichheit von Mann und Frau im Grundgesetz und im Gleichberechtigungsgesetz von 1958 festgeschrieben war. Die "Bild am Sonntag" zitierte einen Lufthansa-Sprecher: "In der ganzen westlichen Welt gibt es keine weiblichen Piloten im regelmäßigen Passagier-Liniendienst. Die Belastung ist viel zu groß." Elisabeth Friske konterte: "Der Pilotenberuf ist nach wie vor ein Privileg der Männer. Mit Qualifikation hat dies nichts zu tun. Die wehren sich nur mit Händen und Füßen dagegen, dass jemand in ihre Domäne eindringt."
Sie biss sich durch. 1970 bekam sie ihre Lizenz für Passagierflugzeuge im Liniendienst – als Jahrgangsbeste und erste Frau in Deutschland überhaupt.
Anderen Männern blieb die emanzipierte, ehrgeizige und attraktive Braunschweigerin in Fliegerkombi suspekt. Journalisten reduzierten sie vorzugsweise auf ein Hausmütterchen, das sich irgendwie vom Herd ins Cockpit verirrt hatte. "Fliegende Hausfrau am Steuerknüppel" titelte die "Cellesche Zeitung"; "Wenn Frau Flugkapitän durch die Waschküche fliegt" die "Neue Revue". "Diese Reporter haben viel Mist geschrieben. Das tat weh", sagt Gerd Friske heute.
Selbst nach der dramatischen Notlandung von Hasloh schwang in einigen Artikeln männlicher Chauvinismus mit. Sensationslüsterne Reporter machten aus Elisabeth Friske die "Katastrophen-Frau im Cockpit". Dieses Image blieb. Sie fand keine feste Anstellung mehr bei einer großen Fluglinie.
Jahre später schrieb sie einen Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß – mit der Hoffnung auf eine Anstellung bei Airbus: "Wenn in München keine Möglichkeit vorhanden ist, gehe ich auch an jeden anderen Ort, an welchem Piloten benötigt werden." Strauß antwortete persönlich. Er wisse um den schwierigen Arbeitsmarkt für Verkehrspiloten, könne ihr aber leider nicht helfen.
Den Traum vom Fliegen konnte sich Elisabeth Friske seit Hasloh nur noch am Steuerknüppel kleiner Charter-Flugzeuge erfüllen. Zu ihren oft prominenten Passagieren zählten der Verleger Rudolf Augstein oder der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel.
Letzterer steigt am Pfingstsonntag 1987 in eine Cessna der Düsseldorfer Gesellschaft "Travel-Air", Kopilotin: Elisabeth Friske. Kurz nach 23 Uhr setzt die kleine Sport-Maschine in Lübeck-Blankenese zur Landung an. Pilot Michael Heise bittet die Fluglotsen noch über Funk, die helle Landebahnbeleuchtung zu dämpfen. Sekunden später streift das Flugzeug einen Sendemast, kracht auf eine Bahnlinie, explodiert kurz vor der Landebahn.
Barschel und der Sicherheitsbeamte Bernd Hansen überleben mit schweren Verletzungen, Pilot und Kopilotin sterben. Man findet Elisabeth Friske unter den Trümmern der Maschine. Sie wurde 48 Jahre alt.
Waggum, Hasloh, Blankenese – verdammt viel Schicksal für ein Menschenleben.
Donnerstag, 16.07.2009
Quelle: Braunschweiger Zeitung vom 16.07.2009 (via newsclick.de)
Pilotin Elisabeth Friske überlebte 1971 eine Flugzeugkatastrophe – 16 Jahre später stürzte sie in den Tod
Von David Mache
Gerd und Elisabeth Friske in ihrer Braunschweiger Wohnung, kurz nach der Notlandung von Hasloh im Dezember 1971. Der linke Unterschenkel der Co-Pilotin war zertrümmert, deshalb der dicke Gips. Sie strickt – ein Motiv, das damals besser ins Weltbild vieler Fotografen passte als die Fliegerkombi.
Archivfoto: dpa
1971 Zeitzeugen: Gerd Friske war mit der ersten Flugkapitänin Deutschlands verheiratet. 1971 wurde seine Ehefrau Elisabeth durch eine Notlandung auf der Autobahn berühmt, 1987 stürzte sie tödlich ab.
David Mache erzählt die tragische Geschichte einer Braunschweigerin, die sich ihren Traum vom Fliegen erfüllte. Trotz Gleichberechtigung war eine Frau im Cockpit die absolute Ausnahme.
Gerd Friske (90) kramt eine dicke rote Mappe voller alter, vergilbter Zeitungsausrisse hervor. "Ich weiß nicht genau, warum ich den alten Krempel aufbewahrt habe. Offenbar liegt mir das alles doch noch sehr am Herzen", sagt er und runzelt die Stirn.
Das alles – damit meint der hagere alte Herr die Geschichte seiner verstorbenen Ehefrau. Die Geschichte einer starken Frau, der ersten Passagierflugzeug-Pilotin Deutschlands. Die Tragödie der Elisabeth Friske.
Die meisten Schlagzeilen in der abgegriffenen roten Mappe kreisen um ein Ereignis: Die "Paninter-Katastrophe", das Flugzeug-Unglück von Hasloh.
Montag, 6. September 1971, kurz nach 18 Uhr. Elisabeth Friske ist Kopilotin einer BAC One-Eleven der Charter-Fluggesellschaft "Paninternational". Die Passagiere freuen sich auf ihren Spanien-Urlaub, Ziel: Malaga. Doch keine Minute nach dem Start in Hamburg-Fuhlsbüttel brennt ein Triebwerk. Wie sich später herausstellt, haben Mechaniker schlampig gearbeitet und in die Kühltanks anstatt Wasser Kerosin gefüllt.
Pilot Reinhold Hüls und Kopilotin Elisabeth Friske setzen zur Notlandung an – mitten auf der Autobahn 7 bei Hasloh. Autofahrer starren entsetzt nach oben, ein Fiat 500 kommt gerade noch unter der schlingernden Maschine durch. Die Pfeiler einer Autobahnbrücke trennen die Tragflächen vom Rumpf des Flugzeugs. Das brennende Wrack zerschellt im Straßengraben. Überall Flammen und Rauch, Verletzte bahnen sich ihren Weg aus den Trümmern, Tote liegen auf einem Acker.
Aber von den 121 Menschen an Bord überleben 99 die Katastrophe. Das waghalsige Landemanöver findet unter Experten größte Anerkennung. "Eine fliegerische Glanzleistung. Ich war damals sehr stolz auf meine Frau und bin es heute noch", sagt Gerd Friske.
Er zieht einen Artikel aus der Illustrierten "Quick" hervor. "Als ich wieder klar denken konnte, tastete ich mich ab und stellte zu meiner Überraschung fest, dass außer dem Bein alles in Ordnung war", erzählt Elisabeth Friske darin. Sie kommt mit einem zertrümmerten Unterschenkel in eine Hamburger Klinik. Gerd Friske eilt mit Sohn Eberhard ins Krankenhaus. "Wir sind ja nicht im Leichenschauhaus', sagte sie, als wir ins Zimmer kamen. So war sie, meine Elisabeth", erzählt Gerd Friske. Er legt den Artikel beiseite und seufzt.
Der gebürtige Schlesier und die 20 Jahre jüngere Elisabeth Schadock lernten sich 1957 auf dem Flugplatz Waggum kennen. Friske war im Krieg Fallschirmjäger, sprang auch später weiter. Zu sehr faszinierte ihn der Adrenalin-Kick. Bei einer Siegerehrung verliebte er sich in dieses blonde Mädchen, das in der Querumer Metzgerei ihres Vaters mitarbeitete. Romantische Rendezvous folgten – und ein ungewöhnlicher Antrag. "Mädchen, wir heiraten! Aber du musst Fallschirm springen", sagte er. "Das mache ich mit Links", antwortete sie.
Beim gemeinsamen Sprung aus luftiger Höhe sollte es nicht bleiben. Elisabeth Friske wollte selbst Flugzeuge steuern, machte 1964 ihren ersten Pilotenschein. Doch niemand wollte damals eine Pilotin einstellen, obwohl die Gleichheit von Mann und Frau im Grundgesetz und im Gleichberechtigungsgesetz von 1958 festgeschrieben war. Die "Bild am Sonntag" zitierte einen Lufthansa-Sprecher: "In der ganzen westlichen Welt gibt es keine weiblichen Piloten im regelmäßigen Passagier-Liniendienst. Die Belastung ist viel zu groß." Elisabeth Friske konterte: "Der Pilotenberuf ist nach wie vor ein Privileg der Männer. Mit Qualifikation hat dies nichts zu tun. Die wehren sich nur mit Händen und Füßen dagegen, dass jemand in ihre Domäne eindringt."
Sie biss sich durch. 1970 bekam sie ihre Lizenz für Passagierflugzeuge im Liniendienst – als Jahrgangsbeste und erste Frau in Deutschland überhaupt.
Anderen Männern blieb die emanzipierte, ehrgeizige und attraktive Braunschweigerin in Fliegerkombi suspekt. Journalisten reduzierten sie vorzugsweise auf ein Hausmütterchen, das sich irgendwie vom Herd ins Cockpit verirrt hatte. "Fliegende Hausfrau am Steuerknüppel" titelte die "Cellesche Zeitung"; "Wenn Frau Flugkapitän durch die Waschküche fliegt" die "Neue Revue". "Diese Reporter haben viel Mist geschrieben. Das tat weh", sagt Gerd Friske heute.
Selbst nach der dramatischen Notlandung von Hasloh schwang in einigen Artikeln männlicher Chauvinismus mit. Sensationslüsterne Reporter machten aus Elisabeth Friske die "Katastrophen-Frau im Cockpit". Dieses Image blieb. Sie fand keine feste Anstellung mehr bei einer großen Fluglinie.
Jahre später schrieb sie einen Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß – mit der Hoffnung auf eine Anstellung bei Airbus: "Wenn in München keine Möglichkeit vorhanden ist, gehe ich auch an jeden anderen Ort, an welchem Piloten benötigt werden." Strauß antwortete persönlich. Er wisse um den schwierigen Arbeitsmarkt für Verkehrspiloten, könne ihr aber leider nicht helfen.
Den Traum vom Fliegen konnte sich Elisabeth Friske seit Hasloh nur noch am Steuerknüppel kleiner Charter-Flugzeuge erfüllen. Zu ihren oft prominenten Passagieren zählten der Verleger Rudolf Augstein oder der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel.
Letzterer steigt am Pfingstsonntag 1987 in eine Cessna der Düsseldorfer Gesellschaft "Travel-Air", Kopilotin: Elisabeth Friske. Kurz nach 23 Uhr setzt die kleine Sport-Maschine in Lübeck-Blankenese zur Landung an. Pilot Michael Heise bittet die Fluglotsen noch über Funk, die helle Landebahnbeleuchtung zu dämpfen. Sekunden später streift das Flugzeug einen Sendemast, kracht auf eine Bahnlinie, explodiert kurz vor der Landebahn.
Barschel und der Sicherheitsbeamte Bernd Hansen überleben mit schweren Verletzungen, Pilot und Kopilotin sterben. Man findet Elisabeth Friske unter den Trümmern der Maschine. Sie wurde 48 Jahre alt.
Waggum, Hasloh, Blankenese – verdammt viel Schicksal für ein Menschenleben.
Donnerstag, 16.07.2009
Quelle: Braunschweiger Zeitung vom 16.07.2009 (via newsclick.de)