Air Berlin - FTD

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charly

Air Berlin - FTD

Beitrag von charly » Mo 23. Jun 2008, 02:54

http://www.ftd.de/unternehmen/handel_di ... 76566.html

Air Berlins Notlandung – Financial Times Deutschland
von Matthias Lambrecht und Leo Klimm (Hamburg)

Im Alleingang wollte Joachim Hunold Air Berlin zur global operierenden Airline machen. Doch jetzt muss er seine Wachstumspläne begraben. Die Kosten explodieren, die Aktie stürzt ab - und so gerät der Chef zunehmend unter Beschuss.

In der Warteschleife ist die Welt von Air Berlin noch in Ordnung. "Flugzeuge im Bauch, im Blut Kerosin, kein Sturm hält sie auf: unsere Air Berlin", trällert es aus dem Hörer, während die Anrufer bei der Fluggesellschaft darauf warten, durchgestellt zu werden.

Die Melodie stimmt: Die eigens für die Airline komponierte Firmenhymne hat das Zeug zum Ohrwurm. Der Text hat mit der Wirklichkeit im Unternehmen kaum noch etwas zu tun: Zwar mag es sein, dass Konzernchef Joachim Hunold Flugzeuge im Bauch hat, wenn er sich Dienstag auf der Hauptversammlung den enttäuschten Aktionären stellen muss, die Erklärungen für den rasanten Kursverfall suchen. Aber Kerosin dürfte ihm wegen des sprunghaft steigenden Preises nur Kopfzerbrechen bereiten. Und dass er seine Airline wirklich durch die Unwetter steuern kann, die sich gerade zur größten Branchenkrise seit Jahrzehnten aufstauen, das muss Hunold erst beweisen.

Immer mehr Investoren und Analysten haben ihre Zweifel an dem umtriebigen wortgewaltigen Manager. In den vergangenen zwölf Monaten hat die Aktie von Air Berlin mehr als zwei Drittel ihres Werts verloren, der Kurs fiel zwischenzeitlich unter 5 Euro. Reihenweise raten die Branchenexperten der Banken zum Verkauf des Papiers, korrigieren ihre Erwartungen immer weiter nach unten. Die Analysten von Morgan Stanley rechnen inzwischen mit einem Kurs von 2 Euro. Der einstige Überflieger droht zum Pennystock zu verkommen.

Für Air-Berlin-Chef Joachim Hunold ist die Krise eine Zäsur: Zahlreiche neue Strecken müssen wieder gestrichen werdenFür Hunold wäre das ein Fiasko. Nicht so sehr wegen der 3,2 Prozent, die er noch an Air Berlin hält. Es geht um viel mehr: sein Lebenswerk, sein Baby. Der Ex-LTU-Manager hat aus der einstigen Mini-Airline mit zwei Fliegern binnen 15 Jahren Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft gemacht. Wachstum um fast jeden Preis - so lautete seine Strategie. Aber die lässt sich nun nicht mehr durchhalten.

Mit mehr als 120 Jets, knapp 8500 Mitarbeitern und gut 28 Millionen Passagieren im Jahr ist Air Berlin der einzige ernst zu nehmende Rivale der Lufthansa in Deutschland. Und verantwortlich dafür ist Joachim Hunold. Er hat Air Berlin im Alleingang groß gemacht. Er hat den Nischenanbieter in einen der führenden deutschen Charterflieger verwandelt, der den lukrativen Shuttleverkehr nach Mallorca kontrolliert. Er hat den Einstieg in den Linienluftverkehr gewagt, er hat sich die Konkurrenten DBA und LTU einverleibt. Und er hat den Konzern im Mai 2006 an der Börse platziert: mit dem Ziel, Air Berlin zu einer global operierenden Gesellschaft zu machen.

Doch mit der Führung einer börsennotierten Airline tut sich der zupackende mittelständische Unternehmer schwer. Hunold, der in den Editorials der Air-Berlin-Bordmagazine gern in die Vollen geht und gegen Gewerkschaftsbosse oder Politiker wettert, lässt im Umgang mit Investoren und Analysten das Fingerspitzengefühl vermissen. Die anfängliche Euphorie an den Märkten ist längst verflogen. Zum Unmut der Aktionäre hat das Management gleich mehrfach binnen wenigen Monaten seine Gewinnziele nach unten korrigiert. "Air Berlin hätte besser kommunizieren müssen, dass der Integrationsprozess mehrere Jahre braucht und man bis dahin keine großen Ergebnissprünge erwarten kann", kritisiert Jürgen Ringbeck, Luftfahrtexperte bei der Unternehmensberatung Booz & Company.

Hunold gerät immer mehr in die Defensive. Ende Mai musste er bei der Vorstellung der Quartalszahlen einräumen, dass der erst wenige Wochen zuvor verkündete Jahresausblick schon wieder obsolet sei. Und so zweifeln Branchenkenner mittlerweile an der strategischen Weitsicht der Air-Berlin-Führung. "Das Management ist fachlich und intellektuell am Rand seiner Möglichkeiten", fürchtet ein Insider. Das Geschäftsmodell droht zu zerbröseln. Bislang hat der Aufsteiger vor allem auf Wachstum gesetzt - und dafür niedrige Gewinne sowie wachsende Schulden in Kauf genommen. Nun aber ist der Vorstoß in neue Märkte, mit Kampfpreisen und anfangs niedriger Auslastung, kaum noch zu stemmen. "Mit den explodierenden Treibstoffkosten kippt die bislang verfolgte Strategie", sagt Analyst Per-Ola Hellgren von der LBBW: "Air Berlin ist ein auf Wachstum ausgerichtetes Unternehmen, das plötzlich nur noch begrenzte Wachstumsperspektiven hat."

Im Gegenteil: Air Berlin schrumpft. Am Mittwoch kündigte die Gesellschaft an, angesichts explodierender Kerosinkosten ihre Kapazitäten auf Langstrecken um 30 Prozent zu kappen. Dieses imageträchtige, aber auch komplexe Geschäft bereitet Hunold besondere Sorgen. Interkontinentalflüge rechnen sich oft nur für etablierte Gesellschaften, die über dichte Zubringernetze ihre Maschinen füllen können. So ein Netz hat Hunold aber allenfalls in Europa. Und so muss der Manager nun zurückrudern. Ende Mai kündigte er erstmals an, "die komplette Langstrecke auf den Prüfstand zu stellen".

Am Mittwoch verkündete er die ersten Streichungen: Die Flüge nach Peking und Schanghai werden im Winter ausgesetzt - obwohl Air Berlin sie erst im Mai aufgenommen hatte. "Unglücklicher konnte es nicht laufen", heißt es dazu aus dem Air-Berlin-Management. Und möglicherweise muss Hunold schon bald neue Ausdünnungen ankündigen. "Das ist ein Anfang", sagte ein Konzernsprecher über Hunolds Sparprogramm. "Weitere Optimierungen sind nicht ausgeschlossen." Dazu könne gehören, dass im Sommerflugplan 2009 weitere Strecken gestrichen oder weniger oft geflogen würden. Beschlossen sei aber noch nichts. Beim Kostensenken sieht die Führungsmannschaft um Hunold noch reichlich Potenzial. So laufe das Ende Mai angekündigte Sparprogramm gerade erst an, heißt es aus der Berliner Zentrale. Zudem arbeite man mit Hochdruck an der Beseitigung von Doppelstrukturen, die nach den Übernahmen der vergangenen Jahre noch innerhalb des Konzerns existieren.

Die Marktbeobachter beruhigen solche Äußerungen kaum. Sie vermissen eine klare Perspektive, fürchten, dass Air Berlin zwischen den Billiganbietern mit niedrigeren Preisen und den großen Linienfliegern mit besserem Service zerrieben wird. "Das Management hat bislang keinen Plan vorgelegt, wie sich ein langfristig rentables Geschäft aufbauen lässt", bemängelt Analyst Hellgren. "Dadurch entsteht der Eindruck, es würde von Situation zu Situation einfach versucht, über die Runden zu kommen. Ohne darüber nachzudenken, was zu tun ist, wenn die nächste Krise kommt." Was viele Analysten als unklare Fokussierung rügen, sieht Konzernchef Hunold als strategische Stärke des Unternehmens an. Gerade in Zeiten steigender Ölpreise sei Air Berlin wegen seiner verschiedenen Standbeine gut aufgestellt. Vor allem das wachsende Firmenkundengeschäft helfe, die anziehenden Treibstoffkosten abzufangen. Schließlich ließen sich in diesem Segment Preiserhöhungen leichter durchsetzen als bei Reiseveranstaltern oder Touristen, die schärfer kalkulieren müssen.

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Re: Air Berlin - FTD

Beitrag von Swen » Mo 23. Jun 2008, 13:14

Tja, was hat sich da der Herr Hunold nur dabei gedacht? Vernichtung von Konkurrenz? Oder doch wieder Manager fehl verhalten ?
Bis denn der Swen

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