[Artikel] Made in Braunschweig: LF1 Zaunkönig D-EBBR

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[Artikel] Made in Braunschweig: LF1 Zaunkönig D-EBBR

Beitrag von Uwe » Mi 8. Apr 2015, 22:37

Kategorie: Flugzeuge mit Geschichte(n)
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Das Auffälligste am LF1 Zaunkönig mit der Kennung D-EBBR ist sicherlich seine doch recht farbenfrohe Lackierung. Dabei verbirgt sich hinter diesem eher unscheinbaren Flugzeug eine interessante Entwicklungsgeschichte:

1940 an der damals noch Technischen Hochschule Braunschweig unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Hermann Winter zur weiteren Erforschung von Langsamflugeigenschaften entwickelt, wurden während des Zweiten Weltkriegs zwei Prototypen gebaut, zwei weitere Exemplare entstanden nach dem Krieg. Seine Langsamflugeigenschaften verdankt der Zaunkönig neben seinem geringen Gewicht in erster Linie seiner besonderen Tragflächenkonstruktion mit dem Vorflügelaufbau an der Vorderseite.

Die Entwicklungsarbeiten begannen 1939 im Rahmen von Studienarbeiten der Studenten des Instituts für Flugzeugbau. Ende 1940 flog der erste Prototyp des Langsamflugzeugs LF 1 und bekam später die Registrierung D-YBAR. Der Name "Zaunkönig" wurde erst später im Jahr 1944 beim zweiten Prototyp vergeben. Die Konstruktion bestand aus Holz für die Spanten, Sperrholz für den Rumpf und Teile der Tragflächen, Stahlrohr für Fahrwerk und Tragflächenstreben sowie Stoff für Teile des Flügelmittelstücks. Als Antrieb diente ein luftgekühlter Vierzylinder-Reihenmotor vom Typ Zündapp Z9-092 mit einer Startleistung von 51 PS.

Die anschließende Flugerprobung zeigte, dass das LF 1 die Erwartungen voll erfüllte. Das Muster wies zudem gutmütige Flugeigenschaften auf, sodass es auch von unerfahrenen Flugzeugführern gut beherrschbar war. Dennoch ging der erste Prototyp 1942 verloren, als bei Flugversuchen die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wurde.

Technische Daten und Flugleistungen:
Länge: 6,08 m
Spannweite: 8,02 m
Flügelfläche: 9,202 qm (inkl. Vorflügel)
Leergewicht: 251 kg
Max. Fluggewicht: 355 kg
Höchstgeschwindigkeit: 140 km/h
Mindestgeschwindigkeit: 47 km/h (mit ausgefahrenen Landeklappen)
Steiggeschwindigkeit: 2,85 m/sek ab Boden
Gipfelhöhe: ca. 4.000 m
Kürzeste Startrollstrecke: < 80 m
Kürzeste Landerollstrecke <42 m

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Charakteristisches Merkmal des Zaunkönigs ist die Vorflügelkonstruktion

Noch während des Zweiten Weltkriegs wurde ein weiterer Prototyp gebaut, der ebenfalls als D-YBAR zugelassen wurde. Diese Maschine überlebte den Krieg. Sie wurde nach Kriegsende von den Alliierten beschlagnahmt und im britischen Erprobungszentrum in Farnborough nachgeflogen. Sie blieb danach in Großbritannien und anschließend in Irland, wo sie zivil geflogen wurde. 1978 kam sie zurück nach Deutschland, wurde restauriert und 1987 als D-EBCQ zugelassen. Sie ist heute noch in der Flugwerft des Deutschen Museums in Schleißheim zu sehen, wo sie als Dauerleihgabe ausgestellt ist.


Bild
D-EBCQ im deutschen Museum in Schleißheim (2. Exemplar)

Ein dritter Prototyp entstand 1955, noch während der Motorflug aufgrund allieierter Bestimmungen in Deutschland verboten war. Als Deutschland am 5. Mai 1955 die Lufthoheit wiedererlangte, stand der Zaunkönig in den Startlöchern und war das erste in Deutschland gebaute Motorflugzeug, das nach dem Zweiten Weltkrieg die Verkehrszulassung bekam. Als D-EBAR absolvierte er am 25. Juli 1955 seinen Erstflug. Leider war ihm nur eine kurze Lebensdauer vergönnt. Bei einem Flugunfall auf dem Flughafen Braunschweig wurde er im April 1957 zerstört. Der Pilot, der erfolgreiche Jagdflieger aus dem Zweiten Weltkrieg, Heinz Bär, kam dabei ums Leben.

Zu diesem Zeitpunkt war bereits der vierte Prototyp in Arbeit, der als Musterflugzeug für eine Serienproduktion dienen sollte. Er sollte aber das letzte Exemplar bleiben, obwohl das Muster auch zum Selbstbau zugelassen wurde. Als D-ECER erhob er sich im Oktober 1957 zum ersten Mal in die Luft. Bis 1964 wurde er in Braunschweig geflogen, dann zwang ihn ein Motorschaden auf den Boden. Nach dem Tod von Prof. Winter 1968 wurde er dem Deutschen Museum als Schenkung angeboten, was dieses aber aus Platzgründen abgelehnte. 1971 wurde das Kennzeichen D-ECER aus der Luftfahrtrolle gelöscht und 1973 ging der Zaunkönig nach Schweden.

Dort blieb er bis 1979, ohne dass es in Schweden zu einer Zulassung gekommen ist. Der nächste Abschnitt führte ihn wieder nach Deutschland, wo er restauriert wurde und 1980 als D-EBCG zugelassen wurde. Bis 1997 wurde er im Süddeutschland geflogen und ging dann als Leihgabe an das internationale Luftfahrtmuseum Manfred Pflumm in Villingen-Schwenningen. 1999 wurde dann auch das Kennzeichen D-ECER aus der Luftfahrtrolle gelöscht.
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2011 kehrt der vierte Zaunkönig zurück nach Braunschweig, zur technischen Universität und wird als D-EBBR zugelassen. Am 23.03.2012 fliegt hier erstmals wieder ein Zaunkönig. Bis 2017 konnte man ihn gelegentlich fliegen sehen, dann stand eine Grundüberholung an, die sich über einen längeren Zeitraum hinzog. Während der Grundüberholung bekam der Zaunkönig auch eine neue Lackierung, die an sich an der ursprünglichen Lackierung im Jahre 1957 orientierte.

Nach erneuter Abnahme und Verkehrszulassung flog der Zaunkönig am 19.09. 2024 zum ersten Mal wieder in Braunschweig.
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Die Chronologie der gebauten Exemplare noch einmal im Überblick:

V1
1940 gebaut und Flugerprobung
1942 Am 11. September ging die Maschine bei einem Testflug verloren.

V2
1943 gebaut und als D-YBAR zugelassen.
1945 Transport zum Erprobungszentrum Farnborough und als VX190 getestet.
1949 zivile Zulassung als G-ALUA.
1974 in Irland als EI-AYU zugelassen.
1978 Rückholung nach Deutschland durch eine Rottenburger Haltergemeinschaft.
1987 Zulassung als D-EBCQ.
1996 als Leihgabe in der Flugwerft Schleißheim ausgestellt.

V3
1955 gebaut und als D-EBAR zugelassen.
1957 Am 28. April stürzte der Pilot Heinz Bär mit dem Zaunkönig ab und kam dabei ums Leben.

V4
1957 gebaut und als D-ECER zugelassen.
1973 Verkauf nach Schweden. Dort aber keine Zulassung.
1979 Rückholung nach Deutschland durch Erwin Biesinger und Albin Gitter. Zulassung als D-EBCG.
1997 im Luftfahrtmuseum Schwenningen ausgestellt.
2011 zurück zur TU-Braunschweig. Zulassung als D-EBBR.

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Alt und neu

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Weitere Bilder der D-EBBR


Quellen und weiterführende Links:
LF1 Zaunkönig bei Wikipedia
Bericht Der Spiegel 1955
Gruß Uwe :hi:


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