B-767 "Gimli Glider" 1983

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Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Swen » Mo 23. Nov 2009, 20:26

Dazu müsste noch die Ratte versagen... Dann gibts aber ein Riesen Problem bei doppelten Triebwerksausfall...

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Revilo » Mo 23. Nov 2009, 19:19

Ja, so genau genommen hast du vollkommen Recht.

Die Concorde hatte ein analoges fly-by-wire-System in allen drei Achsen, allerdings wurden die Steuereingaben eins zu eins an die Aktuatoren weitergegeben. Für alle drei Achsen gab es mechanische Backups.

Der A310 hatte ein digitales fly-by-wire-System, das die Slats, Flaps und Spoiler ansteuerte, aber hier auch nur direkt abhängig vom Bedienelement im Cockpit. Die Zulassung hatte zwar verlangt, daß ein "runaway" (also das Ausfallen der Steuerung so, daß die betreffende Klappe in den Vollausschlag läuft und dort bleibt) extrem unwahrscheinlich sein müsste. Aber ein Ausfall des Systems an sich war toleriert, weil das Flugzeug trotzdem um alle drei Achsen mechanisch steuerbar war.

Der A320 war nur der erste Passagierjet, der von Anfang an konsequent auf ein digitales fly-by-wire gebaut hat, bei dem es kein mechanisches Backup für alle Achsen mehr gibt. Der Sidestick, das Einführen von "flight control laws", die Philosophie, daß der Computer das letzte Wort hat, das war alles neu. Auch, daß erstmalig eine fly-by-wire Steuerung in der Zulassung die gleiche Sicherheit nachweisen musste, wie eine rein mechanische. Das ging nur durch massive Redundanz und Dissimilarity.

Wir haben ja jetzt festgestellt, wie viele Gedanken man sich alleine schon um das Seitenruder-System machen kann und auf was für Details man da achten muß. In den A320 Flight Controls steckt einiges an Gehirnschmalz drin. Man darf ja auch nicht vergessen, daß die Computer Mitte der 80er längst noch nicht das konnten, was wir heute gewohnt sind.

Und ohne Strom hast du im A320 die Höhenrudertrimmung und das Seitenruder - mehr nicht. Die Testpiloten haben bei der Flugerprobung so eine Landung vorgeführt, aber ob das im Fall der Fälle, in IMC, unter Streß auch klappen würde? Diese Abhängigkeit vom Funktionieren der Computer war bestimmt für viele Piloten eine ziemliche Überwindung.

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Swen » Mo 23. Nov 2009, 14:24

Moment... FlyByWire ist nicht erst seit dem A320 bekannt und genutzt... Das ist eine frage der definitionem von Analogen oder Digitalen Signalen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Fly-by-wire

Das nun Airbus mit hilfe der ATTAS die Steuerung und Funktion an sich revolutioniert hat mag ja sein, aber FlyByWire war schon vorher genutzt. Früher war diese Analog und im Airbus dann Digital. Selbst die Concorde hatte FlyByWire. Mag man kaum glauben, aber es wurde viel von der Avro Vulcan übernommen seiner Zeit die nur mit FlyByWire als Nurflügler fliegen konnte.

Der Airbus A300B4-600 hatte in den späten 70er Anfang 80er Jahren noch mal eine Überarbeitung bekommen und wurde mit eine Art FBW ausgerüstet.

http://de.wikipedia.org/wiki/Airbus_A300
Die äußeren Querruder wurden entfernt und durch zusätzliche Spoiler an der Oberseite der Tragfläche ersetzt. Diese Spoiler werden, ähnlich wie bei der A310, nun über elektronische Signale angesteuert.
Bei Airbus gibts es Protections und Limitations die bestimmte Flugmanöver nur zulassen. Bei Boeing 777 sind diese nicht enthalten. Bei der 787 weiß ich es nicht. Boeing hat zwar ein Yoke in der 777 ist aber trotzdem FlybyWire.

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Revilo » Mo 23. Nov 2009, 13:57

Der A320 war der erste mit fly-by-wire. Schlug ein wie eine Bombe. Keine mechanische Verbindung vom Steuer zu den Ruderflächen? Ein Computer berechnet die Ruderausschläge?! Der Computer greift ein, wenn der Pilot das Flugzeug überziehen will?!! Skandal!

Heute eine Selbstverständlichkeit... Sogar Boeing macht mit.

Übrigens: Rate mal, mit welchem Flugzeug die grundlegenden Konzepte ausgiebig getestet wurden :grin:

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Swen » Mo 23. Nov 2009, 12:57

Stimmt du hast Recht. Der A310 war der erste mit FlybyWire. Bei dem 300er war auch noch drei Mann Besatzung wenn ich mich recht erinnere.

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Revilo » Mo 23. Nov 2009, 10:03

Swen hat geschrieben: Wer erinnert sich eigentlich noch an den Unfall mit der A300 AA587 bei NewYork? Der Captain dort hatte doch mehrmals Kräftig in das Ruder getreten. Resultat: Abbruch des Leitwerks.
Ich hatte extra nach A300 gesucht, weil ich den Unfall ja oben schon erwähnt hatte. Der Knackpunkt war, daß der Pilot durch wechselseitige Seitenrudereingaben Belastungen erzeugt hat, die bei der Auslegung nie berücksichtigt wurden (und auch nicht berücksichtigt werden mussten, siehe oben).

Es gab auch noch ein weiteres Problem. Der Mechanismus, der diesen Begrenzer verstellt, kann natürlich nicht beliebig schnell arbeiten. Er braucht eine gewisse Zeit, um hin- und herzufahren. Vielleicht geht das über einen kleinen Elektromotor mit Schneckenantrieb oder ähnliches. Jetzt mal ein Beispiel, was ich vorhin irgendwo gelesen habe: Man beschleunigt das Flugzeug innerhalb von drei Sekunden von 180 auf 210 Knoten. Das macht 10 Knoten pro Sekunde. Der Begrenzungs-Mechanismus kommt nicht hinterher, er schafft maximal 2,5 Knoten pro Sekunde. Wenn das Flugzeug gerade die 210 Knoten erreicht hat, sind die Seitenruderausschläge also erst auf den (größeren) Wert begrenzt, der für 187,5 Knoten gilt. Wenn der Pilot genau in diesem Moment voll ins Ruder tritt, kann er die Struktur überlasten und das Leitwerk könnte abbrechen. Es dauert dann noch 9 Sekunden, bis der Begrenzungs-Mechanismus in die richtige Stellung gefahren ist und den Ruderausschlag auf den Wert für 210 Knoten begrenzt.
Ich stelle mir das so vor: [...] Ich vermute mal, dass es einen Puffer darstellen soll.
So habe ich mir das auch zusammengereimt.
Interessant ist die Artificial Feel & Trim Unit. Diese Unit gibt Piloten Kräfte auf die Pedale. Das wäre eine Art Force Feedback. Bei Computerspiele wird dies angewand, um den Akteur Kräfte zu vermitteln. Bei dem Flugzeugtypen ist es aber die einzige Rückmeldung vom Flugsteuersystem, da der Rest halt Flug per Kabel ist. (Fly by Wire)
Der A300 hat noch kein Fly-By-Wire. Die Betätigung ist rein mechanisch - vom Pedal über Umlenkhebel, Torsionsrohre, Stahlseile und Umlenkrollen bis zu den drei Hydraulikeinheiten, die direkt in der Seitenflosse sitzen und das Ruder antreiben. Es gibt aber mehrere Stellen, an denen irgendwo eine Elektronik eingreifen kann:

1. Yaw Damper
2. Autopilot (Yaw Channel)
3. Rudder Trim / Artificial Feel
4. Rudder Travel Limiter

Was du über das Problem der Rückmeldung schreibst, stimmt natürlich.

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Swen » Mo 23. Nov 2009, 09:04

So gerade hatte ich einen Geistesblitz. Da wir gerade bei A300 sind, Oliver, hattest du da einen hinter Gedanken oder war es das einzige auf SmartCockpit? Wer erinnert sich eigentlich noch an den Unfall mit der A300 AA587 bei NewYork? Der Captain dort hatte doch mehrmals Kräftig in das Ruder getreten. Resultat: Abbruch des Leitwerks.

Bei den Recherchen bin ich auf folgendes gestoßen:

http://www.flugzeugforum.de/forum/showp ... ostcount=8
http://en.wikipedia.org/wiki/American_A ... Flight_587

http://en.wikipedia.org/wiki/Flight_control_surfaces

Für die ganz harten:
http://ntrs.nasa.gov/archive/nasa/casi. ... 011088.pdf

Also, ich habe mir ganz genau die Zeichnung angeguckt und mal richtig ran gezoomt.

Ich stelle mir das so vor:

Der Ruder Ausschlag geht zum ECAM damit auch zum Computer. Wenn Rudder Travel aktiviert ist wird das an das ECAM weiter gegeben. Über die beiden Flight Controler wird das ganze ausgewertet und auf den Aktuartor gegeben. Vom Aktuator geht es dann über einen Hebelmechanismus. Dieser drückt dann von unten gegen und "blockiert" die Rudersteuerung. Da die Ruder ja über zwei Wege und diese Wege überall zusammen angeschlossen sind bewegen sich diese Wege auch gleich. Die Voraussetzung dafür ist natürlich das alles in Ordnung ist. Daher greift man, laut Zeichnung, nur bei einem Weg ein. Wie kann man sich das Vorstellen? Ganz einfach. Man hat bei einer Mülltonne einen langen Hebel nach oben. Um nun die Klappe zu öffnen braucht man diesen Hebel nur nach vorne drücken, schon geht die Klappe auf da von unten einfach, sagen wir mal ein Rohr gegen drückt. An den Hebel kann man auch erkennen, dass dort ein getrennter Kreis drauf sitzt. Ich vermute mal, dass es einen Puffer darstellen soll.

Interessant ist die Artificial Feel & Trim Unit. Diese Unit gibt Piloten Kräfte auf die Pedale. Das wäre eine Art Force Feedback. Bei Computerspiele wird dies angewand, um den Akteur Kräfte zu vermitteln. Bei dem Flugzeugtypen ist es aber die einzige Rückmeldung vom Flugsteuersystem, da der Rest halt Flug per Kabel ist. (Fly by Wire)

Tja... Für mich klingt das so erst einmal Logisch. Was meinst du?

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Revilo » So 22. Nov 2009, 23:07

http://www.smartcockpit.com/data/pdfs/p ... ntrols.pdf

Seite 14.

Das Teil rechts in der Mitte ist anscheinend für die Begrenzung zuständig. Sieht so aus, als würde der Computer (der von irgendwoher die Geschwindigkeit bekommt) ein V-förmiges Teil verschieben und so die Bewegungsfreiheit der Umlenkhebel einschränken. Aber wer weiß, ich bin kein Maschinenbauer... Man müsste das Teil mal in echt sehen, dann würde man es wahrscheinlich verstehen.

So wie ich die Zeichnung lese, müsste dann auch die Bewegungsfreiheit der Pedale eingeschränkt sein.

Was mich wundert ist, daß es anscheinend nur ein Stahlkabel gibt. Der Rest ist immerhin zwei- bis dreifach vorhanden.

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Swen » So 22. Nov 2009, 21:50

Jop, das hast du sehr gut erklärt und so hätte ich es jetzt auch jeden anderen vermittelt. Also muss ja in der Luft der Ruder Ausschlag begrenzt werden... Aber wie?! Gibt ja nur noch die Möglichkeit, die Hydraulik bei Geschwindigkeiten zu variieren. Aber wie?

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Revilo » So 22. Nov 2009, 19:34

Hmm, mal anders.

Bei einem Kleinflugzeug mit starrer Verbindung zwischen Pedal und Seitenruder lässt sich dieses im Stand ganz leicht bewegen. Mit zunehmender Geschwindigkeit wird die "Rückstellkraft" durch den Luftstrom auf das Ruder immer größer. Fliegt man schnell, muß man für den gleichen Ausschlag wesentlich fester treten als im Langsamflug. Es gibt noch einen zweiten Effekt: Fliegt man schnell, hat das Ruder bei gleichem Ausschlag mehr Wirkung als bei geringerer Geschwindigkeit. Die Kraft, die das Flugzeug um die Hochachse drehen möchte, ist nicht nur vom Ausschlag des Ruders abhängig, sondern auch von der Geschwindigkeit der Luftströmung.

D.h., beim Langsamflug fühlen sich die Ruder weich an, und man braucht relativ große Bewegungen am Steuer, um eine Wirkung zu erzielen. Beim Schnellflug fühlen sich alle Bedienelemente wesentlich steifer an, und die kleinste Bewegung reicht, um eine große Wirkung zu erzielen.

Bei Kleinflugzeugen darf man, um die Struktur nicht zu überlasten, oberhalb einer bestimmten Geschwindigkeit die Ruder nur noch zu 1/3 ihres maximalen Weges ausschlagen. Die Zunehmende Steifigkeit der Ruder und die begrenzte Körperkraft des Piloten helfen schon ein wenig, diese Grenze einzuhalten.

Wenn man jetzt bei großen Flugzeugen allerdings Servounterstützung hat - wie auch immer die technisch realisiert ist: elektrisch, hydraulisch, pneumatisch oder eine Kombination davon - dann fehlt dieses Gefühl für die Grenzen. Man kann mit geringem Kraftaufwand bei jeder Geschwindigkeit das Ruder ruckartig in den Vollausschlag treten. Das wäre für die Struktur natürlich eine ziemliche Belastung. Vor allem sind so große Ausschläge bei hohen Geschwindigkeiten gar nicht nötig, denn wie oben beschrieben nimmt ja auch die Ruderwirksamkeit zu. Man will ja mit dem Airliner keine gerissenen Rollen oder Loopings fliegen.

Deshalb baut man zusätzliche Systeme ein, die dem Piloten wieder ein Gefühl vermitteln oder - ganz stumpf - einfach in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit den möglichen Ausschlag begrenzen. Nur mal als Beispiel: Bis 200 Knoten würde ein voll durchgetretenes Pedal das Ruder um 30° auslenken, ab 200 Knoten schaltet sich ein System zu und erlaubt nur noch 10° nach rechts und links. Das meine ich mit "Kniff".

Da bei der Zulassung ja nur die Pedalkraft entscheidend ist - sprich, es wird nicht verlangt, das Ruder am Heck voll ausschlagen zu lassen, sondern nur das Pedal bis zum Boden durchzutreten - kann man also durch solche Kniffe die Belastung auf die Struktur verringern und das Flugzeug leichter bauen.

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Swen » So 22. Nov 2009, 18:16

zusätzlicher Kniff
Hm... Ok was meinst du jetzt damit genau?
Servounterstützung
Wobei es da ja Hydraulisch und Elektrische Systeme gibt. Bei der 767 gibts so gar für die Steuerung der Querruder als Backup pneumatisches System. Meinst du jetzt generell?

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Revilo » So 22. Nov 2009, 13:22

Diese (Mindest-) Anforderungen gelten ohne Ausnahme für alle Flugzeuge, die in die Kategorie "large aeroplane" fallen.

Bei rein mechanischer Ansteuerung des Ruders fühlt sich dieses mit zunehmender Geschwindigkeit steifer an, die Pedalkräfte werden größer. Dadurch ist eine natürliche Begrenzung des Ausschlags gegeben. Bei Servounterstützung muß dann irgendein zusätzlicher Kniff für eine entsprechende Begrenzung sorgen.

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Swen » So 22. Nov 2009, 12:17

Hm, kommt das nicht dann auch auf den Flugzeugtypen an? Einige haben Ruder Mechanisch und andere haben Hydraulik Unterstützung. Da wäre dann die Frage, wie würde das zB eine 747 verkraften.

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Revilo » Sa 21. Nov 2009, 21:08

Ich habe mir das jetzt mal genauer angeschaut. Für die strukturelle Auslegung des Flugzeugs wird in CS25.351 folgender Lastfall angenommen:

1. Das Flugzeug befindet sich im sationären, schiebefreien Geradeausflug
2. Das Ruderpedal wird ruckartig betätigt, und zwar bis
a) zum Vollausschlag des Pedals oder bis
b) zum Vollausschlag des Ruders oder bis
c) zu einer Pedalkraft von 1335 Newton zwischen Vmc und Va, linear abfallend auf 890 Newton bei Vd bzw. Md,
je nachdem, welches Limit zuerst erreicht ist.
3. Das Pedal wird in dieser Stellung gehalten, bis das Flugzeug auf den sich dann einstellenden Schiebewinkel stabil eingeschwungen ist.
4. Das Pedal wird ruckwartig wieder in die Neutralstellung zurückgenommen.

Die Struktur des Flugzeugs muß dieser Belastung standhalten, und zwar im gesamten Geschwindigkeitsbereich von Vmc bis Vd und in allen zulässigen Konfigurationen. Dieser Nachweis wird allerdings rechnerisch erbracht.

Da von dem Vollausschlag des Pedals die Rede ist, kann der Hersteller den Ausschlag des Ruders in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit begrenzen, um die Forderung leichter erfüllen zu können. Das ist bei großen Flugzeugen durchaus üblich (z.B. "Rudder Travel Limiter" bei Airbus).

Im Zusammenhang mit dem Unfall eines A300 (American Airlines Flug 587) wurde diese Zulassungsvorschrift als unzureichend kritisiert. Denn der Fall, daß ein Pilot das Rudder schnell wechselseitig in die Vollausschläge bewegt, ist nicht abgedeckt. In diesem Fall führte er zum Versagen des Ruders im Flug, mit fatalem Ausgang.

In der Flugerprobung eines Musters werden auch Slips geflogen, allerdings bis zu einer Pedalkraft von 801 Newton:

"Conduct steady heading sideslips to full rudder authority, 801 N. (180 lbf) rudder force or full lateral control authority (whichever comes first), with highest lift landing configuration, trim speed 1.23 Vsr, and power or thrust for -3° flight path angle."

Du kannst also in Landekonfiguration tatsächlich relativ bedenkenlos mit bis zu 80kg ins Pedal treten.

Es gibt noch eine Faustformel für den maximalen "vernünftigen" Schiebewinkel eines Großflugzeugs:

Schiebewinkel = arc sin (30 / Geschwindigkeit in Knoten)

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Revilo » Di 3. Nov 2009, 13:56

Auf diese Fragen gibt es eine sehr genaue Antwort. Nämlich diese Seite der EASA:

http://easa.europa.eu/ws_prod/g/rg_certspecs.php#CS-25

Da gibt es die CS 25 als PDF-Datei, die Zulassunsgvorschrift für "large Aeroplanes". Da steht alles drin, was ein Hersteller eines Verkehrsflugzeugs nachweisen muß. Das hier ist zwar die aktuelle europäische Version, aber was die Struktur betrifft, dürfte da kein großer Unterschied zur amerikanischen Version der 80er Jahre sein.

Es sind "nur" 789 Seiten. Wenn ich mal ein paar Minuten Zeit habe, schaue ich mal, ob ich die relevanten Paragraphen finde.

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Swen » Di 3. Nov 2009, 13:44

Das klinkt alles Logisch, aber irgendwie kann ich mir das nicht so wirklich vorstellen. Der Flieger hat doch ein Vref... Es ist ja nicht so, dass man das bei 200 knoten slippt sonder man befindet sich ja nun im Endteil und hat ja schon Vref+5 drauf. Damit ist der Flieger ja langsam. Bei dieser geringen Geschwindkeit (OK 240-280km/h je nach Typ...) kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, dass es da Probleme geben soll mit der Struktur. Die Flieger sind doch eigentlich so ausgelegt, dass die Rümpfe einiges wegstecken. Ich denke da einfach mal an Turbolenzen. Gut, ich bin da kein Fachmann und ich will auch nicht klugscheissen, so soll meine Fragerei und meine Feststellungen nicht gesehen werden. Ich möchte es aber gerne genauer Wissen. :)

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Revilo » Mo 2. Nov 2009, 23:55

Einen Schiebeflugzustand habe ich, wenn das Flugzeug nicht mehr parallel zur Längsachse von vorne angeströmt wird.

Wenn ich mit einem Vorhaltewinkel beim Landeanflug den Seitenwind ausgleiche, schiebe ich also nicht, weil das Flugzeug weiter direkt von vorne angeströmt wird. Erst wenn ich kurz vor dem Aufsetzen durch Kreuzen von Seiten- und Querruder die Flugzeugnase auf die Piste ausrichte, habe ich einen kurzen Moment lang einen Schiebeflugzustand - allerdings bei sehr geringer Fahrt.

Bei der anderen Seitenwind-Landetechnik, die nur bei Kleinflugzeugen sinnvoll angewendet werden kann, steuere ich während des gesamten Endanfluges einen leichten Slip, d.h. die Nase bleibt in Pistenrichtung ausgerichtet, eine Fläche hängt, um die Abtrift durch den Wind auszugleichen, die Luftströmung kommt also leicht von der Seite. Das geht mit Verkehrsflugzeugen nicht so gut, weil die mögliche Querneigung ziemlich begrenzt ist - besonders bei der 737 kommen sonst die Triebwerke als erstes am Boden an, nicht mehr das Fahrwerk. Außerdem ist ein Schiebeflugzustand nicht "passagierfreundlich".

Ein "voller Slip", wie er nur mit Segelflugzeugen richtig möglich ist, geht weit darüber hinaus: Das Seitenruder steht am Anschlag, der Fahrtmesser auf Null, alles rappelt und klappert, es geht tierisch abwärts, und man schaut durch das Seitenfenster nach vorne, weil die Nase ca. 45° zur Flugrichtung steht.

Der Gimli-Glider war zu dem Zeitpunkt des Slips schon ziemlich ausgebremst. Außerdem muß eine Überlastung der Struktur nicht zwangsläufig zum Versagen führen. In der Rechnung ist immer ein Sicherheitsfaktor drin. Nur verlassen kann man sich darauf halt nicht.

Das eta-Beispiel ist gut, weil es ein Problem der Zulassungsvorschriften aufzeigt. Dort sind für alle möglichen Flugsituationen Lastfälle angenommen, die dann nachgewiesen werden. Aber es werden eben nicht alle denkbaren Kombinationen dieser Lastfälle überlagert und gleichzeitig berücksichtigt. Viele Piloten haben das "Wissen" verinnerlicht, daß man bis zum Ende des grünen Bogens im Fahrtmesser volle Ruderausschläge geben darf und am roten Strich des Fahrtmessers noch ein Drittel des Vollausschlags. Was aber viele nicht wissen: Das gilt nur für eines der drei Ruder. Bei der Überlagerung von Höhen- und Seitenruder werden in den Zulassungsvorschriften für Segelflugzeuge, Kategorie "Utility", nur 75% der Kräfte gefordert. Das heißt, bei gleichzeitigem vollen Seiten- und Querruderausschlag kann auch unterhalb des gelben Bogens im Fahrtmesser die Struktur überlastet werden! Besonders kritisch ist das natürlich, wenn die Ruder in entgegengesetzte Richtungen ausgeschlagen werden.

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von platzrundendreher » Mo 2. Nov 2009, 22:24

Das ist auch gut so ;-)
Die Triebwerke waren eh schon aus und konnten aufgrund von falscher Anströmung nicht ausgehen.

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von Swen » Mo 2. Nov 2009, 22:19

Pearson decided to execute a forward slip to increase drag and lose altitude.
Die 767 ist nicht kaputt gegangen.

Re: B-767 "Gimli Glider" 1983

von platzrundendreher » Mo 2. Nov 2009, 22:17

Dann stehst du aber mit der Nase im Wind und es gibt keine Strömungs-Kräfte quer gegen den Rumpf und Anbauteile.
Für den Außenstehenden am Boden mag das ähnlich aussehen wie ein Slip, ist es aber nicht.
Beim Slip stellt man den Rumpf des Flugzeugs gegen die Strömung, damit aufgrund der "unkoordinierten" Fluglage der Strömungswiderstand hoch wird. Der Slip ist natürlich eine koordinierte Fluglage.
Hier ein Untersuchungsbericht der BFU zur Flugerprobung der ETA. Es ging um einen vielleicht ähnlichen Flugzustand:
http://www.bfu-web.de/cln_007/nn_223970 ... Cching.pdf

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