Hamburg Wasserflugzeug

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Re: Hamburg Wasserflugzeug

von Revilo » Di 10. Nov 2009, 01:43

Die BFU hat das Bulletin August 2009 veröffentlicht, in dem auch der Unfall des Wasserflugzeugs in Hamburg behandelt wird:

http://www.bfu-web.de/cln_005/nn_223968 ... 009-08.pdf

Ab Seite 18 (PDF-Seite 22) findet sich der Statusbericht, der nur eine Darstellung der bisher ermittelten Fakten enthält - d.h. keine Bewertung oder Analyse. Eine solche gibt es erst im endgültigen Untersuchungsbericht, der später veröffentlicht wird.

Interessant ist insbesondere die Bedienung des Fahrwerks mit den zugehörigen optischen und akustischen Anzeigen, auch die Checklisten des Flugzeugs sind abgedruckt.

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von pcflyer1963 » Sa 19. Sep 2009, 02:50

und hier nochmal ein "Vorschlag", der auch von der Umkehrkurve abrät.

http://www.wessmann.net/html/startabbruch.html

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von pcflyer1963 » Fr 18. Sep 2009, 00:27

Auch wenn es sich nur um eine Simulation handelt, aber soweit man Englisch gut versteht, wird einem nochmal gut erklärt, wann es Sinn macht, umzukehren und wann man es besser sein lassen sollte.


Re: Hamburg Wasserflugzeug

von Revilo » Do 17. Sep 2009, 07:18

Ich würde die Links oben auch nicht als Handlungsanweisung sehen. Ich habe die Abhandlungen hauptsächlich deshalb gepostet, weil sie die theoretischen Grundlagen besser abdecken, als wir das mit den überschlägigen Rechnungen gemacht haben. Erarbeitet wurde, wie das Manöver durchzuführen ist, um möglichst wenig Höhe zu verlieren. Heraus kam: Teardrop, Kurve mit 45° Querneigung bei Stallgeschwindigkeit, Beschleunigen auf Geschwindigkeit des besten Gleitens erst nach Ausleiten der Kurve. Das erscheint in der Theorie auch plausibel, ist in der Praxis aber nicht sehr weit vom bewussten Einleiten des Trudelns entfernt. Für einen überraschten Piloten mit mittelmäßiger Übung ist das eher die Anleitung zum Selbstmord!



Andererseits sieht dieses Manöver (C172, 160PS, 1000 Fuß Dichtehöhe) aus der Cockpitsicht unproblematisch aus. Als ich das Video zum ersten Mal gesehen habe, kam es mir während des Steigflugs so vor, als sei die Steigrate zu gering und das Flugzeug schon zu weit vom Platz weg, als daß man überhaupt an eine Umkehrkurve denken könnte, zumal in 800 Fuß. Nach Ausleiten der Kurve (auch relativ sportlich, aber sauber geflogen) dachte ich dann aber als erstes: "Viel zu hoch!". Für mich sieht es so aus, als sei (ohne die Möglichkeit zum Durchstarten) ein Anhalten vor dem Ende der Piste knapp nicht mehr möglich - das ist aber ohne 3D-Sicht schwer zu beurteilen. Mit Slip oder S-Kurven hätte es perfekt klappen können. Das Ergebnis ist für mich ziemlich überraschend, da ich ja kategorisch ausschließe, unter 1.000 Fuß überhaupt eine Kurve zu probieren. Allerdings waren die Bedingungen mit 15 kt Gegenwind geradezu optimal, so daß ich auch dieses Video keinesfalls als Handlungsanweisung sehen würde.
pcflyer1963 hat geschrieben: Doch geht auch aus allen Berichten hervor, daß man das nur dann tun sollte, wenn man die dazugehörige Übung auch hat. Und nur dann. Doch seien wir mal ehrlich, wer von uns übt schon mal so eine Situation?
Die wenigsten GA-Piloten.
aber ich traue mir aufgrund meiner vielen Flugstunden mit Fluglehrer, die ich immer wieder mache zu, auf jeder halbwegs genügend langen Wiese/Acker oder auch Wald zu landen und auch wenn das Flugzeug anschließend Schrott ist... wichtig ist, daß ich aussteigen kann und nicht oder nur leicht verletzt bin.
Einen Acker anzufliegen und in der richtigen Geschwindigkeit an der richtigen Stelle sanft auzusetzen, ist das eine. Was danach passiert, das andere. Aus meiner Außenlandeerfahrung kann ich nur sagen: Die Verzögerung ist gewaltig. Aus 80 km/h Aufsetzgeschwindigkeit steht man auf manchen Äckern nach wenigen Metern und hinterlässt dabei eine tiefe Furche. Das birgt mit dem typischen Bugradfahrwerk ziemliche Risiken. Wenn man Glück hat, bricht das Bugrad weg. Wenn man Pech hat, gibt es einen Überschlag. Schlecht für die Passagiere, die nur einen Beckengurt tragen. Schlecht auch, wenn die Passagierkabine nur aus einem leichten, nicht tragenden Gerüst mit Plexiglas besteht. Das Brandrisiko sollte man nicht unterschätzen, wenn es Bruch gibt. Heiße Motorteile, aus dem geplatzten Tank oder lecken Kraftstoffleitungen auslaufendes Avgas, das verträgt sich nicht gut. Der Brandhahn, wenn man an ihn gedacht hat, ist nach einem Bruch meistens wirkungslos.

Eine Außenlandung mit einem E-Klasse-Flieger ist nicht ohne. Die Unfallstatistik gibt Auskünfte dazu. Keinesfalls kann man davon ausgehen, mit nur leichten Verletzungen davonzukommen. Vom Verschätzen (welcher Nicht-Segelflieger hat schon Erfahrung und Übung mit dem Auswählen und Anfliegen geeigneter Außenladefelder?), zu weit oder zu kurz kommen oder gar einer Landung im Wald ganz zu schweigen.

Mit einem E-Klasse-Flieger würde ich Äcker sogar meiden, wenn es in der Situation möglich ist und lieber eine Straße, einen Feldweg oder notfalls eine Wiese ansteuern.

Der Knackpunkt ist meiner Meinung nach der Folgende: Die Außenlandung mit all ihren Risiken ist besser als das Abkippen aus einer Steilkurve. Aber wenn die Höhe sicher für eine Rücklandung ausreicht, dann wäre man nicht gut beraten, stattdessen stur eine Waldlandung zu versuchen. Weil die Frage nicht in Sekundenbruchteilen zu entscheiden ist, sollte man sich vorher anhand der bekannten Parameter eine Entscheidungshöhe zurechtlegen - mit kräftigem Sicherheitsaufschlag.

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von pcflyer1963 » Do 17. Sep 2009, 03:42

Ich habe die Links mal durchgelesen bzw. überflogen.
Die technischen Details lasse ich einfach mal weg, weil es für einen "normalen Piloten" wie wir es sind, zu komplex ist.
Aus den Studien geht hervor, daß es sicher möglich und durchführbar ist, nach einem Motorausfall während der Startphase zur Piste zurückzukehren.
Doch geht auch aus allen Berichten hervor, daß man das nur dann tun sollte, wenn man die dazugehörige Übung auch hat. Und nur dann.
Doch seien wir mal ehrlich, wer von uns übt schon mal so eine Situation?
Bei Segelfliegern mag das anders sein, das bestreite ich auch gar nicht, aber Segelflugzeuge können keinen Motorausfall haben und sie haben noch einen anderen Vorteil: sie sind fürs Segeln, also Gleiten in der Luft gebaut. Motorflugzeuge sind da anderes konstruiert und reagieren auch etwas anders.

Und wenn ich in den Berichten lese, daß - ohne die Piloten vorher instruiert zu haben, 85% der Piloten "geradeaus" weitergeflogen sind und es zu einer halbwegs vernünftigen Landung gebracht haben, und daß die restlichen 15% gecrasht sind, dann denke ich doch, daß es für uns "Hobbypiloten", die wir nun mal sind, auf jedenfall angebracht ist, den 85% zu folgen und sich nicht auf ein unkalkulierbares Risiko einzulassen.
Denn in der Theorie sieht alles recht schön und "berechenbar" aus, doch wer, wie ich , schon mehrmals in so einer Situation war und daraus erfolgreich gelandet ist, kann nicht viel falsch gemacht haben.
Bei den 3 Motorausfällen, bei denen ich nur bei 2 selber Pilot in Command war, hatte ich zwar auch das Glück, daß ich wieder auf einem Flugplatz landen konnte, aber ich traue mir aufgrund meiner vielen Flugstunden mit Fluglehrer, die ich immer wieder mache zu, auf jeder halbwegs genügend langen Wiese/Acker oder auch Wald zu landen und auch wenn das Flugzeug anschließend Schrott ist... wichtig ist, daß ich aussteigen kann und nicht oder nur leicht verletzt bin.
In so einem Fall ist das Flugzeug nur noch solange was wert, daß es mich zum Boden bringt. Alles andere ist mir dann mehr oder minder egal, hauptsache meinen Passagieren und mir passiert nichts dabei.
Und fragt ja nicht, welche Anspannung da aufkommt, wenn der Motor nur mal hüstelt, oder nicht so will, wie er sollte. Es darf im Flugzeug alles geben, nur eines nicht: Hektik und Panik!
Jeder Privatpilot hat gelernt, wie er mit "seiner" Maschine sicher landen kann, egal ob Landepiste oder Grasbahn. Jeder kann (er sollte es zumindest können) seinen Flieger fliegen. Und für Experimente oder "Kunstflugeinlagen" die man nicht 100%ig beherrscht, ist da kein Platz. Es gibt zweierlei Piloten, sag ich immer: Flieger und Helden, aber die meißten Helden sind tot.
Deswegen wünsche ich euch allen, die selber fliegen, daß sie Flieger sind und bleiben und wir sie nicht irgendwann als Helden sehen müssen.

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von Revilo » Mi 16. Sep 2009, 22:01

Falls jemand Lust hat, noch tiefer in die Materie einzusteigen, habe ich hier ein paar Texte zusammengetragen mit mehr wissenschaftlichem Nährwert (allerdings alle in Englisch):

"Should You Turnback?" by David F. Rogers, PhD

http://www.nar-associates.com/technical ... sible.html

Mehr Berechnungen und Diagramme zu dem Papier von oben:

http://www.nar-associates.com/technical ... screen.pdf

"The Feasibility of Turnback from a Low Altitude Engine Failure During the Take-off Climb-out Phase" by Brent W. Jett

http://www.nar-associates.com/technical ... screen.pdf

"The Big Silence After Takeoff" by Rick Durden

http://www.avweb.com/news/pilotlounge/p ... 805-1.html

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von pcflyer1963 » Mi 16. Sep 2009, 00:52

Da kann ich nur zustimmen.

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von Revilo » Di 15. Sep 2009, 21:28

platzrundendreher hat geschrieben: Ich denke, ihr habt beide Recht, nur gibt es eventuell Verständnissprobleme...?!
Ich lese jedenfalls eine einstimmige Einstellung heraus.
In den wesentlichen Punkten herrscht Einigkeit, sehe ich auch so. Wir wollen beide nur sicher fliegen. Aber Diskutieren macht Spaß und ist für Mitleser sicher auch interessant.

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von Revilo » Di 15. Sep 2009, 21:25

Du darfst nicht den Fehler machen und Segelflugzeuge mit einem Motorflugzeug zu mischen. Bei Motorfliegern hast du ne ganz andere Rollrate und ohne Motor mit 45 Grad ne Steilkurve zu fliegen, kann nur in die Hose gehn. Du hast keine Möglichkeit, die Sinkrate zu kompensieren und spätestens nach 90 Grad hast du schnell eine Sinkrate von 2000 ft/min und mehr.
Ein Motorflugzeug mit stehendem Motor ist ein Segelflugzeug. Die Physik und Aerodynamik ist genau die gleiche. Der wesentliche Unterschied liegt in dem Gleitverhältnis und der Geschwindigkeit des besten Gleitens: Bei der Robin 1:9 bei 150 km/h, bei einem Standardklasse-Segelflugzeug 1:45 bei 90 km/h.

Die Robin ist sehr wendig, die erzielbare Rollrate ist (gefühlt) gleich oder besser der eines Doppelsitzer-Segelflugzeugs.

Wichtig bei dem Fliegen ohne Motorkraft ist das Einhalten der optimalen Fahrt. Dafür ist das Höhensteuer da und nur dafür. Es stellt sich dann automatisch eine Sinkrate ein, die hauptsächlich von der Querneigung abhängig ist. Bis 45° tut sich nicht sehr viel, darüber hinaus nimmt die Sinkrate sehr schnell zu. Für Segelflieger gibt es sogenannte Kreisflugpolaren, die den Zusammenhang zwischen Fahrt, Querneigung und dazugehöriger Sinkrate darstellen. Diese Sinkrate ist durch die Physik gegeben und kann nicht beeinflusst werden. Durch Ziehen am Höhensteuer kann man zwar kurzfristig Fahrt (kinetische Energie) in Höhe (potentielle Energie) umwandeln - bzw. durch Drücken umgekehrt - das schadet im Endeffekt aber nur, da man zwangsläufig nicht mehr mit der optimalen Fahrt fliegt.

Die Sinkrate im Kurvenflug ist also höher als im Geradeausflug, aber nach Einleiten der Kurve bleibt sie konstant und steigt nicht ins Uferlose. Nach Ausleiten der Kurve hat man wieder die gleiche Sinkrate wie vorher. Wenn man flach kurvt, erhöht sich die Sinkrate nicht so stark, dafür bringt man mehr Zeit in der Kurve zu. Bei engen Kurven ist die Sinkrate höher - aber die Zeit, die man mit dieser Sinkrate verbringt, kürzer. Zusätzlich muß man berücksichtigen, daß einen eine flache Kurve ggf. weiter vom Landepunkt wegbringt, so daß man zusätzliche Strecke zurücklegen muß. Für jeden Fall gibt es also eine günstigste Querneigung.
Und das kannst du bei der Höhe nicht mehr abfangen. Das würde die Zelle nicht mitmachen. :bad: und ich sicher auch nicht oft.
Um die Sinkrate innerhalb von einer Sekunde von angenommenen 2.000 ft/min. auf 900 ft/min. abzufangen, erhöhst du die Lastvielfache auf 1,6g - selbst bei voll ausgefahrenen Klappen und 2g Limit kein Problem.
und wo nimmst du die Fahrt her? Vergiss nicht, wir sprechen hier von einem Motorausfall, also da ist nichts mit Gas geben. Und die Fahrt durch erhöhtes Sinken aufzuholen, bringt dich nur dem Boden näher und du verlierst Höhe, die du dringend brauchst, um überhaupt eine Chance zu haben, ne 180 Grad Kurve zu fliegen.
Die Fahrt muß in meinem Beispiel nicht erhöht werden. Mit 150 km/h bin ich 1,25-fach über der Stallgeschwindigkeit bei 45° Querneigung, Klappen eingefahren und MTOW - das reicht.
Glaube mir, ich spreche da aus Erfahrung. Hab das mal in 7500 ft MSL ausprobiert und war erst nach 3400 ft Höhenverlust wieder in einer normalen Fluglage, also 500 ft Sinken, 65 kt Fahrt, Geradeausflug.
Ich kann schlecht widersprechen, denn ich war nicht dabei. Allerdings habe ich aus 5.000 ft und voller Steigfluglage eine Umkehrkurve geflogen, und war nach Ausleiten bei 150 km/h in ca. 4.500 ft. Entweder waren unsere Flugzeuge ganz extrem unterschiedlich, oder einer von uns hat einen groben Fehler gemacht. Allerdings habe ich mich nach dem Rausnehmen des Gases direkt mit 0 g in die Kurve fallenlassen (Nachdrücken + Einleiten der Kurve gleichzeitig) und die Querneigung war ca. 45° bis zum Ausleiten. Tritt ein Motorausfall unerwartet auf, würde man das so nicht hinbekommen, das ist klar.
Welches Flugzeug hast du dir da ausgesucht?
Die Robin macht bei MTOW (!), Standardatmosphäre und 0 ft MSL 5,5 m/s (= 1082 ft/min.) Steigen, linear abfallend auf 0,5 m/s in 16.500 ft MSL ("Dienstgipfelhöhe"). Das ist allerdings der Handbuchwert für den Standard-Metallpropeller. Unser auf den Schleppflug optimierte Holzpropeller bringt bessere Steigraten. Bei 300kg weniger Beladung sind die 1.200 ft/min. also nicht nur realistisch, sondern sogar noch konservativ geschätzt.
Aber lieber ne Aussanlandung sicher abschließen, auch wenn das Flugzeug drunter leidet, aber du noch aussteigen kannst, als eine Umkehrkurve, die in einem Steilflug 50m vor dem Flugplatz endet.
Sehe ich auch so.
Lies dir mal auch folgendende Beiträge durch, ...
Ich finde, das Lesen von Unfallberichten ist für jeden Piloten Pflicht. Die beiden Fälle waren mir schon bekannt. Es ist auch überhaupt nicht strittig, daß eine Umkehrkurve in geringer Höhe sehr gefährlich sein kann und schon vielen Menschen den Tod gebracht hat. Trotzdem finde ich, daß diese beiden Beispiele nicht mit "meinem" Szenario vergleichbar sind.

Fall 1: Motorausfall in 400 bis 430 Fuß, Einleiten einer Umkehrkurve, Landung 350 Meter nach Pistenanfang 20m neben der Bahn, Überschlag aufgrund des durch Schneefall weichen Bodens. Keine Verletzten.

Ohne Zweifel war es eine falsche Entscheidung, in 400 Fuß eine Rücklandung zum Platz zu versuchen. Es war dann ja auch mehr als knapp. Trotzdem hat es die An 2 erstaunlicherweise hinter die Schwelle und fast bis auf die Bahn zurückgeschafft. Aus 1.000 Fuß wäre es also höchstwahrscheinlich gelungen. Der Überschlag hatte mit dem Untergrund zu tun und wäre bei der Außenlandung vermutlich ebenfalls aufgetreten - es sei denn, die An 2 war aufgrund der Hindernisberührung schon im Sackflug und ist nur deshalb tief in den weichen Boden eingetaucht, weil die Landung zu hart war. Das geht aus dem Text nicht hervor.

Fall 2: Motorausfall in 500 Fuß, Einleiten einer Umkehrkurve mit 30°, Überziehen, Abkippen und Aufschlag. Pilot überlebt schwerverletzt.

Auch hier: Wir sind uns einig, daß 500 Fuß zu wenig sind. Im Falle der Rans S-10 rät das Flughandbuch sogar explizit von Umkehrkurven unter 500 Fuß ab. Dennoch war der Fehler, der letztendlich den Unfall verursacht hat, ein Strömungsabriss aufgrund zu geringer Fahrt. Wenn die S-10 im Steigflug 8 m/s schafft, kann man mit ihr sicherlich in den meisten Fällen aus 1.000 Fuß eine Rücklandung zum Platz machen - ordentliches Fliegen vorausgesetzt.

Noch ein Wort zu den Steilkurven: Diese werden in der Motorflugausbildung und Prüfung als besonderes Manöver betrachtet und separat geübt. In der Streckenflugpraxis kommt man mit ihnen nicht in Berührung, es sei denn, man fliegt ab und zu absichtlich Steilkurven oder hat den Eintrag KFB-A im Schein und nutzt ihn auch. Die meisten E-Klasse-Flieger können mit ausgefahrenen Klappen bis 60° Querneigung geflogen werden (begrenzt durch die dann anliegenden 2g). Viele reine Motorflieger haben einen gehörigen Respekt vor großen Querneigungen. Zum einen, weil sie sie selten erleben und zum anderen, weil man in der Ausbildung (zu recht) eingeschärft bekommt, daß die Stallgeschwindigkeit mit zunehmender Querneigung steigt. Jeder hat aus der Ausbildung noch im Hinterkopf, daß man einen Flieger mit unsauber geflogenen Steilkurven auch bei absurd hohen Geschwindigkeiten noch überziehen kann - Trudelgefahr.

Ein Segelflieger bringt fast die Hälfte seiner Überlandflugzeit im Kurvenflug zu, sehr oft um 45° Querneigung. Querneigungen um 60° kommen regelmäßig vor. Daß sich das Seitenruder wie ein Höhenruder verhält und mit dem Höhenruder der Kurvenradius steuerbar ist, gehört zur fliegerischen Praxis eines Segelfliegers.

Bei dem Festlegen von persönlichen Limits spielt auch eine große Rolle, wie viel Übung man mit bestimmten Manövern hat. Natürlich macht es keinen Sinn, in einem Notfall gleich als erstes etwas auszuprobieren, was man das letzte Mal vor Jahren in der Ausbildung gemacht hat.

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von platzrundendreher » Di 15. Sep 2009, 20:09

Ich denke, ihr habt beide Recht, nur gibt es eventuell Verständnissprobleme...?!
Ich lese jedenfalls eine einstimmige Einstellung heraus.

Was noch auf jeden Fall gesagt werden muss:

Vielen Dank für die sinnvolle Diskussion, das Thema muss sich jeder Pilot sehr gründlich überlegen - ihr habt großartige Denkanstöße gegeben, die das Problem "Umkehrkurve" deutlich beleuchten und für jeden Piloten ein Hinweis für seine eigene Flugvorbereitung und Sicherheit ist !!!

Gut gemacht !!!

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von pcflyer1963 » Di 15. Sep 2009, 12:52

Für einen Segelflieger gehört das sofortige Nachdrücken, Fahrtaufholen und Einleiten einer Kurve mit einigermaßen großer Querneigung übrigens zum Standardrepertoire, das regelmäßig geübt wird.
Du darfst nicht den Fehler machen und Segelflugzeuge mit einem Motorflugzeug zu mischen. Bei Motorfliegern hast du ne ganz andere Rollrate und ohne Motor mit 45 Grad ne Steilkurve zu fliegen, kann nur in die Hose gehn. Du hast keine Möglichkeit, die Sinkrate zu kompensieren und spätestens nach 90 Grad hast du schnell eine Sinkrate von 2000 ft/min und mehr.
Und das kannst du bei der Höhe nicht mehr abfangen. Das würde die Zelle nicht mitmachen. :bad: und ich sicher auch nicht oft.
Die Umkehrkurve als Standardkurve (etwa 15° Querneigung bei 80 kt) zu fliegen, ist nicht sinnvoll, der Kurvenradius ist zu groß und man kommt zu weit vom Platz weg. Mein Vorschlag: 45° Querneigung bei leicht erhöhter Fahrt.
und wo nimmst du die Fahrt her? Vergiss nicht, wir sprechen hier von einem Motorausfall, also da ist nichts mit Gas geben. Und die Fahrt durch erhöhtes Sinken aufzuholen, bringt dich nur dem Boden näher und du verlierst Höhe, die du dringend brauchst, um überhaupt eine Chance zu haben, ne 180 Grad Kurve zu fliegen.

Wenn du die Sinkrate durch Ziehen ausgleichen willst, dann bist du schnell mit der Fahrt am Ende. Also egal, was du machst, schief gehts auf jedenfall. Glaube mir, ich spreche da aus Erfahrung. Hab das mal in 7500 ft MSL ausprobiert und war erst nach 3400 ft Höhenverlust wieder in einer normalen Fluglage, also 500 ft Sinken, 65 kt Fahrt, Geradeausflug. Und woher willst du die Höhe nehmen, wenn du nur 1000 ft unter dir hast. Also kannst du dir ausrechnen, daß du bei ner 180 Grad Kurve ca. 1700 ft an Höhe verlierst.
Also immer vorsichtig sein. Runter kommen sie alle, die Frage ist nur wie.... :ROFL:

ach ja, noch was:
Steigrate bei Vollgas und Vy = 1.200 ft/min.
Welches Flugzeug hast du dir da ausgesucht? So ne Steigrate möchte ich mal haben, bis ich auf 1000 ft bin. Das hast du mit ner Cessna 172, im Winter, Tank fast leer und nur der Pilot an Bord, und diesen Typ hab ich weiß Gott wie oft geflogen. Bei den gängigen Mustern, die in Flugschulen oder Vereinen geflogen werden, darfst du froh sein, wenn du bis zur Platzrundenhöhe 1000 ft/min Steigen halten kannst bei ca. 80 kt.
Weil die Außenlandung eben ein erhöhtes Risiko darstellt, würde ich sie nicht erzwingen, wenn es tatsächlich sicher möglich ist, zum Platz zurückzukehren.
Aber lieber ne Aussanlandung sicher abschließen, auch wenn das Flugzeug drunter leidet, aber du noch aussteigen kannst, als eine Umkehrkurve, die in einem Steilflug 50m vor dem Flugplatz endet. Lies dir mal auch folgendende Beiträge durch, der wieder einmal zeigt, wie schnell eine Umkehrkurve zu einem waghalsigen Manöver werden kann. Nach Anklicken der Seite etwas nach unten scrollen und den Beitrag als pdf runterladen.

http://www.fliegermagazin.de/unfallakte ... erkausfall
http://www.fliegermagazin.de/unfallakte ... torausfall

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von Revilo » Di 15. Sep 2009, 03:56

Die Betrachtungen sind stark abhängig von den Flugleistungen und den äußeren Bedingungen (Beladung, Wind, Dichtehöhe, Startbahnoberfläche). Ich habe mich nicht auf eine zwangsläufig sehr überschlägige Rechnung verlassen, sondern es in der Höhe einfach mal ausprobiert - siehe oben - und den tatsächlichen Höhenverlust für das Manöver experimentell ermittelt - zugegeben unter günstigen Bedingungen, für die man in der Praxis einen Sicherheitszuschlag ansetzen muß. Für eine lahme Gurke oder einen Flug bei MTOW könnte die Entscheidungshöhe deutlich höher ausfallen.

Für eine beispielhafte Rechnung wären die Eckdaten (1 Person an Bord, Tank voll):

Vy = 65 kt = 120 km/h = 33 m/s
Steigrate bei Vollgas und Vy = 1.200 ft/min.
Bestes Gleiten = 80 kt = 150 km/h = 42 m/s
Gleitwinkel = 1 : 9
Sinkrate beim besten Gleiten also 4,6 m/s = 911 ft/min.

Vom Erreichen der vollen Steigfluglage bis 1.000 Fuß über Grund dauert es 50 Sekunden, dabei habe ich bei Windstille 1,7 km zurückgelegt. Dazu rechnen wir 400 Meter für das Beschleunigen, Abheben und Einnehmen der Steigfluglage. Macht 2,1 km, d.h. ich befinde mich vom Abflugpunkt 26 aus gesehen gerade einmal kurz hinter der Platzgrenze. Das stimmt auch mit der Praxis überein.

Das schnelle Nachdrücken und Fahrtaufholen verbraucht nicht viel Höhe, wie man jederzeit in der Praxis überprüfen kann. Für 30 km/h mehr Fahrt muß man rechnerisch lediglich 10 Fuß zusätzlich zur normalen Sinkrate aufgeben. Rechnet man großzügig 5 Sekunden für den gesamten Vorgang (inkl. Schrecksekunde) bei einer Sinkrate von 911 ft/min, hat man 86 Fuß unterhalb des Motorausfalls das beste Gleiten hergestellt.

Die Umkehrkurve als Standardkurve (etwa 15° Querneigung bei 80 kt) zu fliegen, ist nicht sinnvoll, der Kurvenradius ist zu groß und man kommt zu weit vom Platz weg. Mein Vorschlag: 45° Querneigung bei leicht erhöhter Fahrt. Die 180°-Kurve dauert dann 26 Sekunden, die Sinkrate erhöht sich auf 1.300 ft/min., was einem Höhenverlust von 563 Fuß entspricht.

Rein rechnerisch komme ich also mit 350 Fuß über Grund aus der Umkehrkurve, habe eine Überfahrt von 30 km/h über der Anfluggeschwindigkeit von 1,2 Vs0 und bin 2,1 km vom Abflugpunkt 26 entfernt, also 500 Meter vor der Schwelle 08. 150 Fuß Höhe würde ich für meinen Segelflug zur Schwelle verbrauchen, 200 Fuß bleiben als "Puffer" noch übrig. Die alte Segelflieger-Faustregel, unterhalb von 100 Metern über Grund möglichst keine Kurven mehr zu fliegen, wäre erfüllt.

Das ist alles andere als schön, aber zumindest machbar - unter den oben angenommenen Randbedingungen und wenn die Reaktionszeit stimmt und wenn das Manöver ordentlich geflogen wird.

Vernachlässigt wurde hier eine in der Praxis meist vorhandene Gegenwindkomponente, die einem während des gesamten Manövers nutzt. Die 1.000 Fuß im Steigflug sind früher erreicht, während der Kurve wird man an den Platz herangetrieben und auf dem Rückenwindteil verbessert sich der Gleitpfad. Das ganze Szenario dauert vom Abheben bis Aufsetzen keine 100 Sekunden. Bei moderaten 10 km/h Gegenwindkomponente würden wir aber trotzdem immerhin 250 Meter "zurückgeblasen" werden, die Sicherheitsmarge würde sich spürbar erhöhen.

Natürlich würde ich in der Praxis mein Leben nicht von so einer Milchmädchenrechnung abhängig machen, das wäre dumm. Man könnte für die Entscheidung länger brauchen als gedacht, in der Hektik unsauber fliegen, die Beladung könnte deutlich höher sein als in der Beispielrechnung angenommen, und so weiter. Es wäre schade, wenn man dann stur nach Höhenmesser die Umkehrkurve einleitet, nur um festzustellen, daß man im Flugplatzzaun landen wird - oder - schlimmer und schon oft vorgekommen: daß man aus Angst vor dem Boden in der Kurve überzieht und über eine Fläche abkippt.

Dennoch denke ich, daß mein Vorgehen grundsätzlich nicht verkehrt ist: Bis 1.000 Fuß schließe ich eine Umkehrkurve bzw. größere Richtungsänderungen selbst bei besten Bedingungen generell aus - und zwar ohne Zeit zu verplempern mit Nachdenken oder nach hinten umschauen. Es wird ein Landefeld ungefähr in Flugrichtung gesucht und die Konzentration bleibt bei der bevorstehenden Landung. Punkt.

Ab 1.000 Fuß über Grund (bei flachem Gelände wie in BS) weiß ich, daß es - je nach den bekannten Randbedingungen, die vor dem Start feststehen - rechnerisch reichen würde, zum Platz zurückzukommen. Ich würde daher, falls nicht geradeaus der perfekte Notlandeacker sicher erreichbar ist, zumindest erwägen, die Kurve einzuleiten und einen Blick zum Platz zu riskieren. Man sieht recht schnell nach Augenmaß, ob es passt oder nicht. Wenn nach Augenmaß die Kurverei nicht in einer komfortablen Höhe erledigt wäre, geht man halt doch auf einen Acker. Auch 90° rechts und links des Abfluges gibt es hier passende Felder. Weil die Außenlandung eben ein erhöhtes Risiko darstellt, würde ich sie nicht erzwingen, wenn es tatsächlich sicher möglich ist, zum Platz zurückzukehren.

Nochmal deutlich: Die Berechnungen gehen von Annahmen aus, die in der Praxis auch erfüllt sein müssen. Mit einem 850kg schweren Segelflugzeug im Schlepptau kann es durchaus sein, daß eine Rücklandung auf dem Platz bis in beliebige Höhen ausgeschlossen ist, weil die Steigrate viel zu gering ist. Oder man fliegt Platzrunden nach Special VFR und erreicht wetterbedingt vielleicht noch nicht einmal die 1.000 Fuß.

Für einen Segelflieger gehört das sofortige Nachdrücken, Fahrtaufholen und Einleiten einer Kurve mit einigermaßen großer Querneigung übrigens zum Standardrepertoire, das regelmäßig geübt wird. Im Falle eines Seilrisses, der deutlich häufiger vorkommt als ein Motorausfall, ist das Manöver die einzige Lebensversicherung. Ab etwa 300 Fuß Höhe über Grund kann man im modernen Segelflugzeug eine verkürzte Platzrunde (zwei 180°-Kurven) fliegen. Gefährlich ist das ungewohnte Horizontbild aus dem Cockpit und der unbewusste Wunsch, am Höhenruder zu ziehen. Trainiert wird, diszipliniert eine sichere Mindestfahrt einzuhalten und sauber zu fliegen - das ist im Segelflugzeug auf jeden Fall schwerer als im Motorflugzeug. Als reiner Motorflieger ist man möglicherweise bei einer Umkehrkurve nach dem Start das erste Mal überhaupt in der Situation, aus sehr niedriger Höhe manövrieren zu müssen. Der zusätzliche Streßfaktor kann die Bewertung der Situation schon wieder völlig anders aussehen lassen. Noch besser als der Segelflieger würde der alte Agrarflieger die Situation meistern, der sein ganzes Leben unter 500 Fuß zugebracht hat.

Letztendlich steht auch hier erst im Nachhinein fest, was die beste Entscheidung gewesen wäre. In der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit kann man nicht alle relevanten Faktoren bewerten. Deshalb gibt es in der Fliegerei feste Handlungsschemata, die man sich vorher zurechtlegt und die einem an Bord eine schnelle und sichere, wenn auch nicht immer perfekte Entscheidungsfindung ermöglichen.

Sichere Piloten erkennt man daran, daß sie engagiert über solche Themen diskutieren, sich auch am Boden Gedanken über mögliche Notfälle machen und Handlungsalternativen in Gedanken durchspielen. Auch, wenn sie sich nicht bis in letzte Detail einig werden ;)

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von pcflyer1963 » Mo 14. Sep 2009, 21:47

Dafür weiß ich aber auch, daß es ab 1.000 Fuß AGL auch unter ungünstigen Umständen ziemlich sicher für eine Umkehr reicht
Hast du schon mal ausgerechnet, wie lange du bei 1000 ft über Grund brauchst, um wieder am Boden zu sein? Und misst du die 1000 ft über Grund vom Abflughafen oder dem Gelände, daß du unter dir hast? Wie lange braucht dein Flugzeug, um 1000 ft (300 m) Höhe abzubauen?
Immer davon ausgehend, daß du ein Motorflugzeug hast und keinen Segelflieger.

Du brauchst im absoluten Idealfall grade mal 2 1/2 Minuten und du bist wieder am Boden der Tatsachen. Also rechnen wir mal nach:

1000 ft Höhe erreicht und das Triebwerk fällt aus, egal mal, aus welchem Grund.

Da du dich ja immer noch im Steigflug mit ca. 80 kt Fahrt befindest, wird die Maschine rapide langsamer, was du durch Drücken am Höhenruder ausgleichst, natürlich auf Kosten der bereits erreichten Höhe. Bis du die Maschine auf einer konstanten Geschwindigkeit von ca. 65 bis 70 kt hast, was der Durchschnitt bei 1 Mots für das beste Gleiten ist, hast du unter optimlsten Voraussetzungen (Standartathmosphäre) ca. 170 ft an Höhe verloren.

Rest: 830 ft

Die Zeit, die du dafür benötigst, nehmen wir mal mit 10 Sekunden an. Als nächstes siehst du mal nach rechts und links, um den Platzrundenverkehr zu beobachten, auf welche Seite du gefahrlos drehen kannst. Das beansprucht, weil du schnell bist grade mal 5 Sekunden (ich gehe davon aus, daß du schon während des Abfangens des Fliegers damit begonnen hast). In dieser Zeit fliegst du immer noch geradeaus weiter und sinkst beharrlich weiter, so ca. 85 ft.

Rest: 745 ft

Um ja nicht schneller zu sinken, als nötig, mußt du eine Standartkurve drehen, also 180 Grad in 1 Minute. Sinkrate dabei ist 500 ft. Je schneller du drehst, desto schnell sinkst du. Selbst wenn du das durch Ziehen am Höhenruder ausgleichen willst, mußt du spätestens nach dem Halbkreis nachdrücken, um wieder Geschwindigkeit aufzunehmen. Dabei verlierst du jedoch mindestens genausoviel an Höhe (im Normalfall wesentlich mehr) wie bei der Standartkurve.

Rest: 245 ft

Nun befindest du dich auf Gegenkurs parallel zur Landebahn in einem Abstand von ca. 300 Metern und das ist ziemlich knapp gerechnet, wahrscheinlich sind es noch mehr. Es kommt aber noch etwas hinzu. Beim Steigflug hast du ja bis zu den 1000 ft Höhe eine gewisse Strecke zurückgelegt. Und für diese Strecke hast du ca. 2 Minuten gebraucht, um dahin zu gelangen bei 500 ft Steigen. Selbst wenn du mit 1000 ft steigst, dann hast du immerhin 1 Minute dazu benötigt.
Und genau diese Strecke liegt nun noch vor dir, um die restlichen 245 ft abzubauen. Nicht vergessen: --> Steiggeschwindigkeit 80 kt, Sinkgeschwindigkeit für bestes Gleiten ca. 65 bis 70 kt. Selbst wenn du Glück hast, wirst du vielleicht nicht runterfallen wie ein Stein, aber den Flugplatz wirst du nie erreichen.
Da du länger als 1 Minute + die 300 Meter Seitenabstand noch fliegen mußt, um zu Landebahn zu kommen, solltest du noch ca. 600 ft Höhe AGL haben, aber wo sollen die herkommen.

Wie gesagt: ich bin von den absolut besten Voraussetzungen ausgegangen und unterstelle dir, daß du perfekt mit dem Flugzeug umgehen kannst. Dabei habe ich wirklich die untersten Grenzen angenommen, was den Höheabbau anbelangt, weniger geht in so einer Situation nicht.

Problem erkannt?

Ergo: Wenn der Motor nach dem Start ausfällt und du noch im Steigflug bist, gibt es nur einen Weg, und der führt weiter gereade aus nach vorne, oder etwas links/rechts davon, aber niemals zurück.
Deshalb habe ich mir - sozusagen als mentale Checkliste - vorgenommen, bei Motorausfall unter 1.000 Fuß AGL den Flugplatz hinter mir als nicht existent zu betrachten. In der Regel findet sich in einem Trichter 45° rechts und links der Startbahnverlängerung irgendeine Notlandemöglichkeit mit guter Überlebenschance auch für das Flugzeug. In Braunschweig sind alle in Frage kommenden Äcker schon getestet worden.
Solange du nicht in Reiseflughöhe (2000 ft AGL) bist, halte dir deine mentale Checkliste vor Augen und lass alles andere sein. Ist nur ein gutgemeinter Rat. :hi:

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von Revilo » So 13. Sep 2009, 01:44

Aber sowohl die Flugzeugentwickler als auch die Luftfahrtbehörden haben sich schon was dabei gedacht, Checklisten zu schreiben und dem Piloten zur Verfügung zu stellen.
Die verbindlichen Unterlagen stehen ja im Kennblatt. Für unser Flugzeug (Baujahr 1971) gibt es gar keine offizielle Checkliste - nur das Flughandbuch mit eher allgemein gehaltenen Hinweisen und einigen, wenigen Checklistenpunkten unter den "Notverfahren". Dazu kommt die in den letzten 35 Jahren immer mal wieder aufgerüstete Avionik, für die es einzelne, separate Anleitungen oder Anlagen zum Flughandbuch gibt. Alles in allem ist das ziemlich Kraut und Rüben. Diese Situation dürfte auf einen Großteil der einfacheren GA-Flotte zutreffen. Das heißt, Checklisten für ältere Flugzeuge sind in der Regel selbst ausgedacht und selbst gebastelt und deshalb alles andere als einheitlich - selbst bei gleichen Mustern mit ähnlicher Ausstattung.

Wie gesagt, im Prinzip sind wir uns einig. Bei einem einzigen, einfachen Motorflugzeug (starres Fahrwerk, Festpropeller...) und > 150 Starts/Landungen in den 6 Sommermonaten fliege ich in der Platzrunde sicherer, wenn ich die Checkliste nicht in die Hand nehme. Die Handgriffe sitzen, alles andere wäre unnötige Ablenkung. Punkte, bei deren Vergessen irgendetwas komplett schief geht, gibt es ohnehin nicht. Bei wesentlich weniger Starts und gleichzeitiger Inübunghaltung auf mehreren stark unterschiedlichen Mustern würde ich das womöglich anders sehen. Dazu ist man ja verantwortlicher Luftfahrzeugführer und entscheidet im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften selbst.
Und ob du es glaubst oder nicht: ein Flugzeug fällt nicht einfach vom Himmel, nur weil der Propeller mal stehnbleibt (was er ja nicht wirklich tut)
Mittlerweile kann ich das aus eigener Erfahrung bestätigen.

Drei ernsthafte Motorprobleme für dich in ~ 600 Stunden sind sicherlich überdurchschnittlich. Insofern umso besser, daß du dreimal Glück hattest, noch auf einem Flugplatz landen zu können.
Wieviele Piloten machen während ihrer Flugsaison mal Ziellandungen? Wie oft sieht man Flugzeuge landen, wo es besser gewesen wäre durchzustarten, grade auf kleinen Plätzen? Wann läßt sich ein "alter Hase" mal dazu herab, einen Fluglehrer zu bitten, mal eine Notlandeübung mit ihm zu fliegen? Nur durch ständige Übung und Wiederholen dieser Flugverfahren kann ein Pilot einen Notfall meistern, wenn er dann mal auftritt.
Ja, ich weiß, was du meinst. Viele sparen sich das leider. Dabei ist es gerade in Braunschweig, wo du nicht auf eine festgelegte Platzrunde in einer festgelegten Höhe eingeschränkt bist, sehr einfach, immer mal wieder zwischendurch eine "normale" Landung als Ziellandung durchzuführen. Wenn man in 2.000 Fuß in Platznähe das Gas ganz rausnimmt und bis zum Aufsetzen nicht mehr in die Hand nehmen muß, hat man die "Prüfung" ja schon bestanden. Das geht also ohne Mehrkosten durch sonst nicht nötige Platzrundenflüge und ohne Fluglehrer.

"Echte" Notlandeübungen auf ein echtes Feld, weitab von einem Flugplatz, sind natürlich noch etwas anderes und durch diese Ziellandungen nicht zu ersetzen. Dazu braucht man dann allerdings einen Fluglehrer aus einem Ausbildungsbetrieb, der eine Sondergenehmigung zum Unterschreiten der Sicherheitsmindesthöhe hat. Oder man ist praktischerweise Segelflieger und führt sowieso jedes Jahr einige echte Außenlandungen durch.
Deswegen finde ich es gut, daß es eingeführt wurde, daß man zur Verlängerung mindestens auch eine Stunde mit einem Fluglehrer fliegen muß.
Dieser Meinung bin ich auch, obwohl viele wegen der Mehrkosten fluchen. Ich habe auch immer versucht, nicht nur einfach eine Stunde Flugzeit mit dem Standardprogramm abzuspulen, sondern auch mal bewusst Grenzbereiche zu üben (zum Beispiel marginales VFR-Wetter mit ATPL-Inhaber als Begleiter). Nicht, um die Hemmschwelle für solche Aktionen zu senken, sondern um besser vorbereitet zu sein, wenn man doch einmal unbeabsichtigt in die Situation kommt.
Das mit den Magneten war einmal kurz nach dem Abflug, so in 500 ft Höhe. Gott sei dank war es nur ein Magnet. Aber der verantwortliche Pilot (ich saß am Co-Sitz) wollte umkehren und zum Flugplatz zurück. Da hab ich ihn gebeten, mich weiterfliegen zu lassen. Und erst, nachdem ich Platzrundenhöhe hatte, sind wir dann ganz normal gelandet. Alles andere wäre garantiert nicht gut gegangen.
Das hast du gut gemacht. Diese Umkehrkurven sind extrem gefährlich - die BFU-Bulletins sprechen eine deutliche Sprache. Wäre der Motor ganz ausgefallen, hättet ihr ein Problem gehabt bzw. wärt alle Probleme auf einen Schlag losgeworden.

Ich habe das Manöver "Motorausfall in geringer Höhe" aus Interesse selbst einmal in verschiedenen Konfigurationen erflogen. Aus dem Steigflug mit Vy von Vollgas auf Leerlauf zu gehen, auf die Geschwindigkeit des besten Gleitens nachzudrücken, um 180° (in den Wind) zu drehen und die Klappen einzufahren, braucht mehr als 500 Fuß Höhe - sauber geflogen und ohne Schrecksekunde! Die Sinkrate, die sich im Geradeausflug anschließend einstellt, beträgt immerhin noch 5,5 m/s oder 1.100 ft/min. Zwar hat man nach der Umkehrkurve ca. 50 km/h Fahrtreserve zum Abfangen, die man noch in Höhe umwandeln könnte. Aber mit Berücksichtigung der Schrecksekunde und dem vielleicht in der Hektik nicht ganz perfekt geflogenen Manöver wird es verdammt knapp. Deshalb habe ich mir - sozusagen als mentale Checkliste - vorgenommen, bei Motorausfall unter 1.000 Fuß AGL den Flugplatz hinter mir als nicht existent zu betrachten. In der Regel findet sich in einem Trichter 45° rechts und links der Startbahnverlängerung irgendeine Notlandemöglichkeit mit guter Überlebenschance auch für das Flugzeug. In Braunschweig sind alle in Frage kommenden Äcker schon getestet worden.

Dafür weiß ich aber auch, daß es ab 1.000 Fuß AGL auch unter ungünstigen Umständen ziemlich sicher für eine Umkehr reicht - gerade in Braunschweig, wo rechts und links der Asphaltbahn mit Segelflugbetriebsfläche, Grasbahn und Taxiway C viel Platz ist für eine spontane Gegenlandung mit Rückenwind. Ich habe mir jetzt angewöhnt, die (mentale) Checkliste "nach dem Start" genau dann abzuarbeiten, wenn der Höhenmesser durch 1.000 ft AGL geht: Klappen einfahren, E-Pumpe aus... ab jetzt Umkehrkurve erlaubt.

Wenn jemand mal die Zahlen für eine typische Kolbenzweimot erfliegen würde, will ich lieber nicht wissen, wie die "Entscheidungshöhe" dann aussehen würde.

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von pcflyer1963 » Fr 11. Sep 2009, 10:09

Nicht nur einmal, smile. Ich hatte in meiner Karriere als Pilot schon dreimal einen Motorausfall, wobei es einmal "nur" die Magnete betraf, aber Leistung war nicht mehr aus dem Aggregat zu holen.

Es sind zwei verschieden Sachen, ob man ein Flugzeug sicher fliegen und dann auch landen kann, oder ob man alles Procedere des Flugzeugs so vergegenwärtigt hat, daß man ohne Checkliste auskommt. Sicher würde ein Flugzeug nicht kaputtgehn oder die Landung schiefgehn, nur weil ich ohne Checkliste mal einen Punkt nicht in der richtigen Reihenfolge abhandle oder ihn gar nicht ausführe.
Aber sowohl die Flugzeugentwickler als auch die Luftfahrtbehörden haben sich schon was dabei gedacht, Checklisten zu schreiben und dem Piloten zur Verfügung zu stellen.
Das Wichtigste ist beim Fliegen, das Flugzeug zu fliegen, Checkliste hin der her, da geb ich dir Recht. :gamer:
Wer das nicht beherrscht, der soll lieber mit dem Fahrrad fahren.
Aber sosehr man auch "seine Machine" beherrschen mag, es ist nunmal ein Mensch, der da am Steuerknüppel /-horn sitzt, und Menschen neigen dazu, Fehler zu machen. Und um dieses "Sicherheitsrisiko Mensch" zu minimieren, dazu sind die Checklisten bestens geeignet, deswegen will und werde ich nicht drauf verzichten.
Es heißt nicht umsonst bei den Piloten, daß der größte Fehler an einem Flugzeug ist, daß der Pilotensitz besetzt ist. :grin:
Und zu einer Flugvorbereitung gehört nun mal nicht nur das Wetter, der Strich in der Karte, Anflugblätter, Streckennavigation und und und... sondern auch, daß die Checkliste an Bord ist und auch genutzt wird. Und ob du es glaubst oder nicht: ein Flugzeug fällt nicht einfach vom Himmel, nur weil der Propeller mal stehnbleibt (was er ja nicht wirklich tut), man hat also in der Regel immer die Zeit, die Checkliste zu lesen. Sowas dauert keine Minute. Deswegen wird das Teil ja auch griffbereit im Flugzeug abgelegt, so daß ich nicht erst suchen muß.
Denn eines ist doch klar: Wenn du diese Zeit nicht mehr hast, dann wirst du auch keine Checkliste mehr brauchen, NIIIIEEEE MEHR !!!! :"":
Mindestens die zeitkritischen Verfahren - Durchstarten, Motorausfall, Notlandung - sollte man ohne Checkliste hinbekommen.
Für diese "Notfälle" wirst du während der Schulung ausreichend trainiert und das sitzt auch ohne Checkliste.

ABER!!!!

Wieviele Piloten machen während ihrer Flugsaison mal Ziellandungen? Wie oft sieht man Flugzeuge landen, wo es besser gewesen wäre durchzustarten, grade auf kleinen Plätzen? Wann läßt sich ein "alter Hase" mal dazu herab, einen Fluglehrer zu bitten, mal eine Notlandeübung mit ihm zu fliegen? Nur durch ständige Übung und Wiederholen dieser Flugverfahren kann ein Pilot einen Notfall meistern, wenn er dann mal auftritt. Und frage ja nicht, wieviel Stress bei den meißten aufkommt, wenn der Motor mal spuckt, ausfällt, oder sonst was ungewöhnliches auftritt. Da könnte ich Bücher drüber schreiben. Ich war ja nach meiner Ausbildung mehr als 7 Jahre noch mit der Flugschule eng verbunden, bei der ich meinen Flugschein gemacht habe und bin sehr oft als Safty-Pilot mitgeflogen. Da fragst du dich manchmal, wie manche den Schein bekommen haben, oder ob sie ihn nicht doch in der Lotterie gewonnen haben. :unkown:
Deswegen finde ich es gut, daß es eingeführt wurde, daß man zur Verlängerung mindestens auch eine Stunde mit einem Fluglehrer fliegen muß. So können wenigstens die gröbsten Fehler wieder mal korrigiert werden. Und daß sich mit der Zeit immer wieder mal "Angewohnheiten" einschleichen, die man eben nicht machen sollte, das mußte auch ich schon mehrmals zur Kenntnis nehmen. "Nobody is perfect!"
Wo und wie hat es dich denn erwischt?
Das mit den Magneten war einmal kurz nach dem Abflug, so in 500 ft Höhe. Gott sei dank war es nur ein Magnet. Aber der verantwortliche Pilot (ich saß am Co-Sitz) wollte umkehren und zum Flugplatz zurück. Da hab ich ihn gebeten, mich weiterfliegen zu lassen. Und erst, nachdem ich Platzrundenhöhe hatte, sind wir dann ganz normal gelandet. Alles andere wäre garantiert nicht gut gegangen.

Dann hatte ich einmal totalen Ölverlust. Das Flugzeug kam aus der Jahresnachprüfung und die Mechaniker hatten den Ölfilter nicht richtig eingebaut, und dadurch "tröpfelte" das Öl schön langsam aus. Nach einer Flugzeit von fast 4 Stunden war der Ölvorrat verbraucht, Der Öldruck stieg und fiel immer wieder, was mich anfangs an einen Instrumentenfehler glauben ließ, da sich die Temperatur nicht veränderte. Erst so ne halbe Stunde vor der Landung wußten wir dann, daß wir Öl verloren haben und es nicht am Instrument gegelegen hat. Das war auf dem Flug von Split (Kroatien) nach Vöslau (Österreich). Aber ich habe die Machine sauber gelandet (ohne einen Tropfen Öl) und der Motor läuft heute wieder, wie neu.

Bei einem Flug von St. Johann nach Weiden hatte ich dann mal eine Verstopfung in der Treistoffleitung. Da der Motor nur noch sporadisch Leistung abgab, habe ich es dann vorgezogen in Straubing zu landen. Das was mich am meißten geärgert hatte an dem Flug, daß genau nach dem Aufsetzen plötzlich die Leitung wieder frei war. Doch an diesem Tag bin ich nicht mehr weitergeflogen, sondern habe die Maschine in der Werft nachsehen lassen. Am nächsten Tag, nach einem Checkflug durch die Werft bin ich dann erst weiter nach Hause geflogen. Wäre ich weitergeflogen, dann hätte ich sicher irgendwo auf einem Acker oder Wiese landen müssen.

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von Revilo » Do 10. Sep 2009, 14:19

Na, jetzt nähern sich unsere Positionen doch schon ziemlich an. Das ist halt das Problem in der GA - zu wenig Stunden pro Jahr. Wenn die sich dann noch auf mehrere komplexe Muster verteilen, wird es irgendwann schwierig, auf allen gleichzeitig ausreichend in Übung zu sein. Ich sage ja auch nichts dagegen, die Checkliste beim Vorflugcheck oder am Rollhalt penibel Punkt für Punkt durchzugehen. Dort hat man ja alle Zeit der Welt und das Leben hängt nicht von der Luftraumbeobachtung ab. Aber in der Luft sollte die Checkliste nur noch eine Art Gedächtnisstütze sein, auf die man im Zweifelsfall nicht angewiesen ist. Mindestens die zeitkritischen Verfahren - Durchstarten, Motorausfall, Notlandung - sollte man ohne Checkliste hinbekommen.

Deshalb werden wir uns an diesem Punkt
Selbst bei totalen Motorausfall war mein zweiter Griff zur Checkliste.
...auch nicht einig. Denn die Handgriffe müssen sitzen, und zwar auswendig. Vorher ist man meiner Meinung nach nicht ausreichend fit, das Muster zu fliegen. Wenn du Glück hast, fällt der Motor im Reiseflug in FL95 aus - dann hast du sogar Zeit, das Flughandbuch zu lesen. Aber darauf würde ich nicht bauen.

Wo und wie hat es dich denn erwischt?

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von pcflyer1963 » Do 10. Sep 2009, 01:24

Ich gebe dir zum Teil recht.
In der Platzrunde, bei viel Verkehr sollte man "sein" Flugzeug soweit kennen, daß man nicht immer die Checkliste parat haben muss. Sowas sollte in Fleisch und Blut übergehen. Doch die ganze Sache hat einen Haken....
Solange du nur einen Flugzeugtyp fliegst mag das alles wunderbar funktionieren.
Ich fliege alleine 4 verschiedene Muster von Cessna, 3 von Piper, dann die Aquila, Katana, und jedes Flugzeug ist anders konfiguriert. Also mit und ohne Verstellpropeller, mit und ohne Einziehfahrwerk, mit und ohne Autopilot (eine davon mit 3-achs Autopilot), alleine was den Unterschied der Avionikausrüstung angeht. Wenn ich da nicht immer die Checkliste hätte, ich wüßte nicht immer, in welcher Reihenfolge man welche Schalter und Hebel bedienen soll laut Handbuch, damit das Flugzeug richtig geflogen wird und keinen Schaden nimmt.
Sicher gibt es bestimmte Regeln, die für alle Flugzeuge gelten, aber jedes Flugzeug ist anders, fliegt sich anders, wird alleine vom Handling her anders bedient.
Und noch eines möchte ich zu bedenken geben:
Je mehr Flugzeugtypen man fliegt, desto aufwendiger sind sie meißtens. Hab das ja bei mir gesehn. Mein erstes Flugzeug war ne Cessna 172, ohne viel Schnickschnack im Cockpit. Das könnte ich heute noch im Schlaf fliegen.
Das letzte Muster war eine Cessna 210 Centurion, mit Einziehfahrwerk, Verstellprob, Turbomotor, Enteisungsanlage, 3.achs Autopilot, Druckkabine usw.
Ohne Checkliste bist du bei der Maschine auf verlorenen Posten.
Je öfter man einen Typ fliegt, desto "automatischer" werden die Handgriffe, die absolviert werden müssen, aber ohne Checkliste würde ich das nie machen. Und diese Zeit hat man immer. Das habe ich in mehr als 600 Flugstunden gelernt. Selbst bei totalen Motorausfall war mein zweiter Griff zur Checkliste. "First of all is flying the plane".
Und je früher man sich daran gewöhnt, mit den vorhandenen Unterlagen zu arbeiten, desto sicherer fliegt man, weil einem so schnell nichts überraschen kann. Dafür sorgt die Fliegerei an sich schon genug. Wenn das nicht so wäre, warum gibt es dann überhaupt Checklisten, smile

Jeder kann das so handhaben, wie er meint, daß es richtig ist, für mich ist die Checkliste eben ein großer Teil der Sicherheit beim Fliegen.

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von Revilo » Mi 9. Sep 2009, 17:58

Und welche Punkte meinst du damit? Ich habe noch nie eine Checkliste in der Hand gehabt, wo sinnloses Zeugs draufgestanden hat, da kann ich dir leider nicht beipflichten.
Hier mal einige Beispielpunkte einer Checkliste für die Cessna 172, wahllos aus dem Netz heruntergeladen:

"Motorleistung ... wie erforderlich"
"Klappen ... nach Bedarf"
"Trimmung ... anpassen"
"Aufsetzen ... Hauptfahrwerk zuerst"
"Bremsen ... so wenig wie möglich"

Wenn man schon solche banalen Punkte aufführt, kann man auch gleich schreiben: "Höhenruder ... zum Abfangen ziehen". Irgendwo muß man mal die Grenze ziehen. Die Checkliste ist kein Flughandbuch oder ein Lehrbuch für Flugschüler, sondern soll ausschließlich sicherheitskritische Dinge enthalten, die man auf gar keinen Fall vergessen darf.

Beim Durchgehen einer schriftlichen Checkliste ist der Pilot sehr stark vom Fliegen abgelenkt. Warum? Die eine Hand hält die Checkliste, die andere wird zum Ausführen der dort aufgelisteten Punkte gebraucht. Die Augen müssen ständig neu fokussieren: Von der Checkliste auf das Instrumentenbrett und zurück, ggf. zwischendurch nach draußen. Die Checkliste vor der Landung wird in der Regel im Gegenanflug vor der Position abgearbeitet. Bei dichtem Verkehr in der Platzrunde ist das gefährlich. Je länger die Checkliste und desto mehr unnötige Punkte, desto gefährlicher.

Bei einfachen Flugzeugen (starres Fahrwerk, Festpropeller) sind es maximal fünf Punkte, die man im Gegenanflug abarbeiten sollte (Klappen, Gemisch, Tankwahlschalter, Vergaservorwärmung, el. Benzinpumpe). Und diese kann man - so meine persönliche Meinung - sinnvoll ordnen und zu einem antrainierten Bewegungsablauf machen. Alternativ könnte man sich auch einen Merksatz zurechtlegen (das berühmte "GUMPS"). Die Zeit, die man blind in der Platzrunde unterwegs ist, reduziert sich dabei erheblich.

Ein anderes Argument: Für jedes Flugzeug gibt es auch für das Durchstarten eine Checkliste. In meinem Fall sieht die ungefähr so aus:

Motorleistung ... Vollgas
Vergaservorwärmung ... aus
Fahrt ... aufholen
Klappen ... vorsichtig auf Startstellung fahren
Trimmung ... kraftfrei trimmen

nach Erreichen einer sicheren Höhe:

ATC ... informieren
el. Benzinpumpe ... aus
Klappen ... einfahren
...

Kein vernünftiger Pilot würde beim Durchstarten die Checkliste zücken und die Punkte einzeln abarbeiten. Unter Zeitdruck und so dicht über dem Boden ist es gar nicht anders möglich, als die Punkte auswendig abzuarbeiten. Im Prinzip wird also jeder Pilot zumindest diese Checkliste mental durchführen und ggf. anschließend überprüfen, ob nichts vergessen wurde.

Warum sollte man das also im Landeanflug nicht genauso machen? Allein diese Saison kann ich mich an mehrere Flüge erinnern, bei denen es überlebenswichtig war, anderen an- oder abfliegenden Verkehr rechtzeitig zu sehen und den eigenen Flugweg entsprechend zu gestalten. Den Blick für 10 - 15 Sekunden ins Cockpit zu nehmen, hätte bedeutet, den Sichtkontakt zu verlieren und die anderen Flugzeuge neu suchen zu müssen.

Die Argumente für mentale Checklisten fallen am Boden weg. Die Ceckliste "vor dem Start" benutze ich ebenfalls in Papierform.

Letztendlich muß aber jeder selbst wissen, mit welchen Methoden er am besten zum Ziel kommt - höchstmögliche Sicherheit.

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von pcflyer1963 » So 6. Sep 2009, 00:13

Ich werde zum nächsten Treffen mal die Checkliste einen "kleinen Motorfliegers" mitbringen, nur damit auch die, die sowas noch nicht gesehn haben, auch wissen, wieviele Punkte da drinstehn. Ich fliege nun seit 12 Jahren und nehme immer noch die Checkliste her, beim Anlassen, Pre-Flight-Check und vor der Landung.
Wenn ich während des Checks auch nicht den Luftraum beobachten kann, sowas sollte man eben vor und nach dem Check tun, so nehme ich mir immer die Liste vor. Jeder Mensch macht Fehler, ganz klar, aber dadurch kann ich Fehler vermeiden, die einfach nicht sein müssen, oder auch nicht sein dürfen (siehe das von dir angesprochene Video).
Leider gibt es auch Piloten, die glauben über alles erhaben zu sein.
Es ist keine Schwäche oder Ängstlichkeit was zu vergessen, wenn man die Checkliste "durchackert", es ist ein großer Teil der Sicherheit beim Fliegen, der nicht zu vernachlässigen ist.
Viele Checklisten enthalten auch völlig sinnlose Punkte.
Und welche Punkte meinst du damit? Ich habe noch nie eine Checkliste in der Hand gehabt, wo sinnloses Zeugs draufgestanden hat, da kann ich dir leider nicht beipflichten.

Re: Hamburg Wasserflugzeug

von Revilo » Sa 5. Sep 2009, 00:32

pcflyer1963 hat geschrieben: Beim Platzrundenfliegen wird kein Pilot der Welt die Checkliste ständig in der Hand halten, das ist ja klar. Aber wenn man eben bei Gastflügen die Checkliste eben nur im Kopf durchgeht, dann kann es eben mal passieren, was aber nicht sein sollte, dass man den einen oder anderen Punkt vergisst.
Im Segelflug sind schriftliche Checklisten unüblich. Stattdessen lernt man die wenigen wichtigen Punkte auswendig, wobei man sich auf eine Reihenfolge festlegt - zum Beispiel von sich selbst ausgehend ("Gurte fest angezogen") und dann im Cockpit von links nach rechts. Das funktioniert in der Praxis ja ganz gut - warum sollte man das nicht auf (einfache) Motorflugzeuge übertragen können? Ich finde es auf jeden Fall besser, als in einer kritischen Phase zehn oder mehr Punkte auf einer Checkliste durchzugehen. Das dauert und verhindert, daß man vernünftige Luftraumbeobachtung machen kann. Viele Checklisten enthalten auch völlig sinnlose Punkte. Mein Favorit für den Endanflug: "Engine power - as required". Aha.

Aber da sind die Menschen sicherlich unterschiedlich. Da sollte jeder nach der Art vorgehen, nach der er sich am sichersten fühlt.
Und was den Widerstand des Fahrwerks angeht, so gering würde ich das mal nicht einschätzen. Hast du mal bei c.a 100 kt die hand aus dem Fenster gehalten? Dann weißt du, welch ein Widerstand alleine an der Handfläche anliegt und so ein Reifen ist um einiges größer als deine Hand. Und dieses Wasserflugzeug hatte gleich 4 davon.
Klar machen die einen Zusatzwiderstand. Aber man muß das im Vergleich zum Gesamtwiderstand des Flugzeugs sehen. Bei einem aerodynamisch sehr hochwertigen Segelflugzeug macht ein ausgefahrenes Rad sicher einen größeren Unterschied als bei einer Cessna on Floats, die ohnehin schon ein ziemliches Monstrum ist. Tatsache ist jedenfalls, daß es einige (erfahrenen) Piloten auf dieser Welt gibt, der schon mit ausgefahrenem Fahrwerk auf dem Wasser gelandet ist.
Also das sind Fehler, die dürfen nicht passieren.
Tja... und sie passieren doch:

Der Piepton, der während des gesamten Videos zu hören ist, ist der Fahrwerks-Warnton. Der scheint die beiden bei der Unterhaltung aber nicht zu stören - vermulich sitzt rechts immerhin ein erfahrener Fluglehrer. Sind das jetzt Idioten oder einfach nur Pechvögel, die morgens mit dem falschen Fuß aufgestanden sind?

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